Rosehill 01 - Die Tochter des Lords
und ein Bett gegeben …«
Abrupt verstummte er, als er Coles Ruf hörte. »Mary Rose! Du errätst nie, wer vor unserer Veranda wartet! Clive Harrington!«
Inzwischen hatte ihr Bruder den Grat oberhalb der Ranch erreicht und schaute hinunter. Sofort bat sie Harrison, sein Pferd anzuspornen. »Clive muss krank sein!«
Cole schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht.«
Auch Travis zügelte seinen Hengst auf dem Grat. »Was hat denn die Postkutsche in unserem Vorderhof verloren?«
Irgend etwas musste geschehen sein. Daran zweifelte Mary Rose nicht. Clive befolgte nämlich strenge Prinzipien. Niemals lenkte er sein Vehikel zu einem Haus. Die Fahrgäste mussten an den Stationen aussteigen und selber sehen, wie sie heimkamen. Nicht einmal um Fremde, die sich verirren könnten, kümmerte er sich. Und ihr Gepäck interessierte ihn ebenso wenig. Er hatte Mary Rose erzählt, er sei mit wichtigeren Dingen beschäftigt, aber angedeutet, ihr zuliebe würde er eine Ausnahme machen. Doch sie bestand darauf, genauso behandelt zu werden wie alle anderen. Und er hielt sie für einen Engel, der vom Himmel herabgestiegen war und ihm half, seinen Grundsätzen treu zu bleiben.
Endlich kam auch MacHugh auf dem Grat an, und sie sah Clive vor dem Postkutschengespann umherlaufen. »Sicher ist was Furchtbares passiert. Seht doch, wie aufgeregt der arme Clive ist!«
»Wo steckt denn Adam?«, fragte Travis.
»Wahrscheinlich im Haus«, meinte Douglas, der die anderen eingeholt hatte.
»Ja, ganz sicher ist was Grauenvolles geschehen!«, jammerte Mary Rose.
»Nicht unbedingt«, erwiderte Harrison. »Genausogut könnte der Mann hierhergefahren sein, um wundervolle Neuigkeiten zu erzählen.«
Wortlos drehte sie sich im Sattel um und starrte ihn an, um ihm zu zeigen, wie lächerlich sie seine Vermutung fand.
»Vielleicht wurde er ausgeraubt«, spekulierte Travis.
»Das bezweifle ich«, entgegnete Cole. »Hier weiß doch jeder, dass er nichts Wertvolles mit sich herumschleppt.«
»Beeilen wir uns doch!«, flehte Mary Rose. »Ich möchte Clive helfen. Offensichtlich hat er große Probleme.«
Endlich trieben sie die Pferde an, und wenige Minuten später erreichten sie die Ranch. Clive rannte zu Mary Rose und half ihr, aus dem Sattel zu steigen. »Großer Gott, was ist denn mit Ihnen passiert, Miss Mary?«
»Bickley hat mich niedergeschlagen.«
»Den Kerl bringe ich um!«, kündigte er wutentbrannt an.
»Beruhigen Sie sich, Clive. Bickley und seine Freunde werden bereits nach Hammond gebracht, dort wird sich der Sheriff um sie kümmern. Aber es ist nett, dass Sie sich meinetwegen so aufregen. Sie sind ein guter Freund.«
»Haben Sie Schmerzen, Miss Mary?«
»Nein. Wenn ich mein Gesicht gewaschen und mich umgezogen habe, wird man mir nichts mehr anmerken.«
»Und kämmen sollten Sie sich auch.«
Seufzend strich sie ihre zerzausten Locken aus der Stirn. »Was führt Sie denn hierher, Clive? Stimmt was nicht?«
»Allerdings nicht. Ich bin ja so froh, dass Sie endlich daheim sind, Miss Mary. Heute hätten Sie nicht nach Blue Belle reiten dürfen. Es ist doch nicht Samstag. Haben Sie das vergessen?«
»Nein, aber ich wollte ein paar Sachen für eine Freundin kaufen.«
»Nun, wenn das so ist … Aber jetzt müssen Sie mir helfen.«
»Natürlich. Was ist denn los?«
»Bitte, holen Sie die junge Dame aus meiner Kutsche! Sie rührt sich nicht von der Stelle, und sie lässt nicht mal Adam an sie ran. Sobald er auftauchte, schrie sie wie am Spieß und erklärte, kein Dienstbote dürfe sie anfassen. Das gezieme sich nicht. Da versuchte ich ihr klar zu machen, wie das hier draußen ist, aber sie wollte nicht auf mich hören. Und sie glaubt nicht, dass Adam Ihr Bruder ist, Miss Mary. Irgendwie verstehe ich ihre Zweifel. Sie kommt nicht aus dieser Gegend, also ist sie so was nicht gewöhnt. Schließlich gab’s Adam auf und ging ins Haus. Er wollte nicht erschossen werden, das drohte sie ihm nämlich an, falls er sich noch mal in die Nähe der Kutsche wagen würde. Freundlicherweise bot mir Ihr Bruder einen bequemen Sessel im Salon und einen kühlen Drink an. Leider musste ich das ablehnen, denn ich konnte die junge Dame doch nicht hier draußen allein lassen. Nur der Himmel weiß, was sie mit meinem Wagen treiben würde, sobald ich ihr den Rücken kehre. Glauben Sie mir, Miss Mary, ich habe mit Engelszungen auf sie eingeredet, aber sie besteht darauf, so höflich empfangen zu werden, wie’s ihr gebührt. Und solange sie nicht kriegt, was
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