Rosen des Lebens
gegen ihn verschanzt hatte, mit hundert Kartaunen anrückte. Bei einer Belagerung hat Stärke noch nie geschadet. Vor allem
aber, Madame, war nicht klar, wer eigentlich vor Montauban befahl, so viele erhoben darauf Anspruch: Luynes, Lesdiguières,
der Herzog von Maine und mein Halbbruder, der Herzog von Guise.«
»Hätte Luynes als Konnetabel denn nicht den Oberbefehl haben müssen?«
»Luynes, Madame, entehrte sich durch seine Feigheit. Er näherte sich der Stadt nie auf Kanonenweite, so daß die Soldaten darüber
ihre Witze machten und das ferne kleine Zelt, von dem er das Getümmel beobachtete, die
Konnetafelei
nannten. Obgleich er aber eine solche Memme war, pochte er doch höchst eifersüchtig auf seine Macht, und um sie zu behaupten,
schlug er den weisesten Rat in den Wind. Als Lesdiguières ihn |312| darauf hinwies, daß in der Umzingelung der Stadt eine gähnende Lücke klaffte und die Nordwestseite nicht mit Truppen besetzt
war, kehrte er ihm hochnäsig den Rücken: eine verhängnisvolle Verbocktheit, denn durch diese Lücke konnten andere Hugenotten
die Belagerten mit Männern, Munition und Brot versorgen.
Der Herzog von Maine, der sah, wie schnöde Lesdiguières’ Ratschläge mißachtet wurden, setzte es sich, ohne den Konnetabel
auch nur zu fragen, in den Kopf, auf eigene Faust einen Halbmond anzugreifen, den er zwei Tage mit Kanonenkugeln beschossen
hatte.
Er war der Sohn des berühmten Herzogs von Mayenne, eines großen Heerführers, der zuerst gegen Henri Quatre gekämpft und sich
dann auf seine Seite geschlagen und sich besonders bei der Belagerung von Amiens hervorgetan hatte. Jung, auf sich vertrauend
und tapfer bis zur Verwegenheit, wollte Monsieur von Maine zeigen, daß er der würdige Sohn seines Vaters war und seinem Ruhm
nicht nachstand, indem er als erster in Montauban einmarschierte. Mit seinem Heldenmut stürzte er sich in die Bresche, die
er geschlagen hatte, nur daß er sich nicht die Zeit genommen hatte, diese sorgfältig zu erkunden. Seine Soldaten gerieten
in einen Kugelhagel und konnten ihm nicht folgen. Einer Überzahl ausgesetzt, mußte er schließlich den Rückzug antreten, verzweifelt,
daß er ganz vergeblich und durch eigene Schuld so viele Edelleute verloren hatte. Ein paar Tage später, am fünfzehnten September,
als er dem Herzog von Guise seine Laufgräben vorführte – ein völlig überflüssiger Besuch, denn Guise befehligte einen anderen
Bereich –, tötete ihn eine Musketenkugel.
Die Verwegenheit von Monsieur du Maine hatte seltsame Folgen. Sein Tod drückte die Moral unserer kleinen Armee noch mehr nieder
als die Feigheit des Konnetabels. Außerdem, als man in Paris davon erfuhr, erhob sich der Pöbel und legte den protestantischen
Tempel von Charenton in Schutt und Asche, was unserem Feldzug den Anschein eines Religionskrieges gab. Aber der König sah
schnell, welche Gefahr darin lag, und wie bei dem geschändeten toten Protestanten von Tours befahl er, die Brandstifter festzunehmen,
zu verurteilen und zu hängen.«
»Und besichtigte der König das Feldlager?«
|313| »Ach, Madame, wieviel Ärger uns das machte! Die Schwierigkeit bei Seiner Majestät war ganz die entgegengesetzte als bei Luynes:
Wie konnte man ihn davon abhalten, zu oft im Feldlager vor Montauban zu erscheinen? Nicht nur setzte er doch sein eigenes
Leben aufs Spiel, sondern auch die Zukunft seiner Dynastie: Frankreich hatte noch keinen Dauphin! Sein Kronrat, seine Minister,
die Königin, seine Umgebung, alle umlagerten ihn beständig, damit er ja in Piquecos blieb. Er langweilte sich dort, wenn ich
das so sagen darf, bis zur Weißglut. Unentwegt hatte er das Auge am Fernrohr, aber eine Belagerung ist vor allem Geduldssache,
die meiste Zeit geschah nichts in Montauban, weder auf den Wällen noch im Lager. Zur Abwechslung ging Ludwig Rebhühner jagen:
kleines Wild, kleine Jagd. Aber was konnte er anfangen ohne Hundemeute? Im übrigen war es furchtbar heiß. Héroard riet ihm
sogar ab, hinauszugehen: Sie hätten in der Sonne ein Ei braten können. Die Hugenotten litten Hunger im Brutofen ihrer Mauern.
Die Unseren litten unter Sonnenstich und Fieber. Eine Seuche tötete uns mehr als der Feind.«
»Also besichtigte Ludwig das Lager nicht?«
»Oh, doch! Nur zu oft! Mehrfach überging er unser Bitten und Flehen. Als er am fünfzehnten September den Tod des Herzogs von
Maine erfuhr, ließ er ungesäumt sein Pferd satteln und galoppierte mit
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