Rosen des Lebens
entfernt?«
»Drei Stunden Ritt. Und zurück ebensoviel. Und Sie dürfen mir glauben, daß ich das nicht vergessen habe, denn ich war unter
jenen, die dem König zu Pferde folgten. Dieses Hin und Zurück, sechs Stunden insgesamt, war keine Kleinigkeit. Ehrlich, mir
tat der Hintern nachher noch zwei Tage weh. Der betagte Héroard folgte uns in der Karosse, aber auch vor Sonnenglut oder prasselndem
Regen geschützt war er nicht viel glücklicher dran und litt auf den holprigen Wegen.«
»Und wie war es, wenn König und Königin sich wiedersahen?«
»Verschieden, je nachdem, ob der König von Piquecos nach Moissac zur Königin ritt oder die Königin von Moissac nach Piquecos
zum König kam.«
»Scherzen Sie, Monsieur?«
»Ganz und gar nicht. Wollen Sie ein Beispiel? Montag, sechster November: Der König verläßt Piquecos um drei Uhr und trifft
um halb sechs in Moissac ein.«
»Sie hatten drei Stunden gesagt, das sind nur zweieinhalb.«
»Ludwig war schneller geritten: Er war ungeduldig. War das |316| nicht verständlich? Aber am nächsten Tag brauchte er nach Piquecos zurück drei Stunden. Ich fahre fort. Ludwig trifft also
um halb sechs in Moissac ein. Er verbringt die Zeit mit Anna. Um sieben Uhr speisen sie miteinander. Um zehn Uhr gehen sie
zu Bett, und er beehrt sie zweimal.«
»Woher weiß man das?«
»Aber, Madame, das erklärte ich bereits. Man weiß es von der Kammerfrau, deren Pflicht es ist, Héroard Bericht zu erstatten,
und Héroard teilt es mir mit, dem Ersten Kammerherrn, bevor er es in sein Tagebuch einträgt.«
»Zweimal? Das erscheint mir wenig für einen so jungen Mann.«
»Nach zweieinhalb Stunden zu Pferde, über Berg und Tal? Und mit der Aussicht, morgens um fünf Uhr aufzustehen und abermals
drei Stunden im Sattel zu sitzen! Madame, sind Sie nicht ein bißchen anspruchsvoll?«
»Monsieur, sind Sie nicht ein bißchen indiskret? Aber, Gott sei Dank, geht es ja nicht um mich. Bitte, fahren Sie fort. Wenn
ich recht verstehe, ging es anders zu, wenn die Königin nach Piquecos zum König kam?«
»Und ebendas ist das Merkwürdige. Besuche der Königin hatten statt am einundzwanzigsten September, am dreißigsten September
und am vierten Oktober. Sie kommt natürlich in ihrer Karosse nach Piquecos, etwa um Mittag. Und sie hat kaum den Boden berührt,
wird sie von Monsieur de Luynes empfangen, der vor ihr niederkniet, den Saum ihres Kleides küßt und sie zu Tisch führt, mit
dem König, selbstverständlich. Die Mahlzeit ist um drei Uhr beendet, und die Königin kehrt zurück nach Moissac. Es ist jedesmal
das gleiche: Immer ist Monsieur de Luynes als Dritter zugegen und verhindert zwischen den Gatten jedes vertrauliche Gespräch.«
»Ist er etwa eifersüchtig?«
»Sie werden sich erinnern, Madame, daß Luynes früher beharrliche Anstrengungen unternahm, Ludwig zum Vollzug seiner Ehe zu
verhelfen, und daß der König dank seiner schließlich Erfolg hatte. Wenn Eifersucht im Spiel war, dann also nicht in diesem
Sinn.«
»Was denken Sie?«
»Ich würde sagen, er spürte, daß seine Gunst wankte, und wollte keinen anderen Einfluß auf den König zulassen.«
|317| »Hatte er Grund, die Königin zu fürchten?«
»Ich glaube, nicht. Zu der Zeit liebte die Königin den König und dachte noch nicht an politische Intrigen.«
»Hätte der König an einem solchen Nachmittag denn eine Zeit ungestörter Zweisamkeit mit der Königin finden können?«
»Henri Quatre war dazu jede Stunde recht, jede Gelegenheit und sogar jede Partnerin. Aber der fromme Ludwig XIII. erfüllte
seine dynastische Pflicht stets nur im Dunkel der Nacht.«
»Ich hoffe, die arme Anna sieht den König in Moissac wieder.«
»Doch, doch, am achtzehnten Oktober. Aber der Tag fängt schlecht an. Es ist nämlich genau jener Tag, an dem die Herren Geistlichen
und ihr Wortführer, der Bischof von Rennes, dem König ihre Million Gold überbringen, damit er den Krieg gegen die Hugenotten
fortsetzt. Und ihr Geplapper dauert leider endlos: Man muß sie geduldig bis Mittag anhören. Der König bricht verspätet auf
nach Moissac, er trifft erst um sechs Uhr ein, da ist es schon dunkel. Um sieben Uhr speist er mit der Königin. Um neun Uhr
geht er mit ihr zu Bett, und ein wenig beschämt gestehe ich Ihnen, Madame, daß er sie nur einmal beehrte.«
»Monsieur, Sie mokieren sich schon wieder über mich.«
»Madame, ist es nicht erlaubt, sich über diejenigen ein wenig zu mokieren, die man
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