Rosen des Lebens
Ludwig Herr seiner selbst
wurde, ernannte er ihn zum Rittmeister der königlichen Reiterei. Dies war kein sehr hoher Dienstgrad im Heer, und Ludwig hatte
selten mit ihm zu tun. Vom siebenten bis zum fünfzehnten Dezember jedoch, an dem Luynes starb, war der König jeden Tag mit
Schomberg zusammen, oft sogar zweimal am Tag. Nachdem Luynes gestorben war, sah er Schomberg nur noch in dienstlichen Belangen.«
»Merkwürdig, ja, und was schließen Sie daraus?«
»Daß Ludwig in seiner Verstörtheit ein großes Bedürfnis nach männlicher Freundschaft hatte, und weil Luynes ihm fehlte, besann
er sich eines seiner ›kleinen Edelleute‹ aus der Kindheit, bei dem er nach dem Tod seines Vaters die Liebe gefunden hatte,
die ihm seine Mutter immer versagte. Ich erinnere mich, wie Ludwig am vierzehnten Dezember, einen Tag vor Luynes’ Tod, mit
düsterer Miene beschäftigt war, seine Vögel fliegen zu lassen, und wie er plötzlich den Kopf hob, als sei ihm etwas eingefallen,
und fröhlich sagte: ›Ich gehe zum Herrn Grafen von Schomberg.‹«
|320| »War Ludwig von Luynes’ Tod sehr getroffen?«
»Ich glaube, ja. Getroffen und erleichtert. Nachdem Luynes gestorben war, wollte er keine Stunde länger in Longuetille bleiben.
Er ging nach Damazan, wo er mit
Monsieur
zusammentraf. Er umarmte ihn mit neuerwachter Zuneigung, was uns verwunderte, aber nicht lange anhielt, weil Gaston eben war,
wie er war. Von Luynes sprach er nicht mehr.«
»Gar nicht mehr?«
»Doch, einmal, in vertrautem Kreis. Er sprach einen Satz, der uns alle frappierte, weil er viel in wenige Worte faßte: ›Ich
habe ihn geliebt‹, sagte er, ›weil er mich liebte, aber ihm fehlte etwas.‹«
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|321| DREIZEHNTES KAPITEL
Es war sicher ein weiser Entschluß, der außerdem eine Portion Mut erforderte, die Belagerung von Montauban aufzuheben, denn
Seuche und Winter hätten das Heer vollends dezimiert. Andererseits gestand Ludwig damit wohl oder übel vor aller Augen seine
Niederlage ein.
Unser Rückmarsch nach Paris verlief überaus gedrückt. Obwohl Ludwig bemüht war, sich nichts anmerken zu lassen, war er verzweifelt
über dieses Scheitern. Einige behaupten sogar, sie hätten ihn weinen sehen. Das glaube ich nicht. Es war nicht seine Art und
widersprach seiner Vorstellung von der Königswürde, sich irgendeinem Untertanen in Tränen zu zeigen. Manche Worte, die ihm
entschlüpften, verrieten jedoch, daß er, auch wenn er alle Fehler erkannte, die Luynes bei der Belagerung begangen hatte,
dafür weniger ihn anklagte als vielmehr sich selbst, weil er einem Mann von so geringem Talent mehr Macht gegeben hatte, als
er tragen konnte. Bei einem Selbstgespräch hörte ich ihn einmal sagen, daß er nie mehr einen Favoriten haben und sich von
niemandem mehr bestimmen lassen wolle.
In Orléans erlebte er eine Überraschung: Der Graf von Soissons hatte die ganze Reise von Paris nach Orléans gemacht, um ihn
zu begrüßen. Ludwig empfing ihn sehr freundlich, denn er war offenbar zu Unrecht in Sorge geraten, weil der Graf in seiner
Abwesenheit um die Gnade der Königinmutter gebuhlt hatte. Und, wie ich hörte, umarmten sich Soissons und Condé, womit denn
keine Rede mehr war von der berüchtigten Serviette, über der die beiden Prinzen von Geblüt sich so harsch entzweit hatten,
und mit ihnen der ganze Hof. »So sind die Gallier!« sagte mein Vater. »Aus einer Nichtigkeit machen sie ein Drama und haben
es am nächsten Tag vergessen.«
Am achtundzwanzigsten Januar hielt Ludwig Einzug in Paris, wo er am einunddreißigsten des Monats die Königinmutter in seinen
Kronrat aufnahm. Hiermit belohnte er sie für die |322| Weisheit, die sie während seines Feldzugs in die Guyenne bewiesen hatte, die allerdings nur Richelieus weisen Ratschlägen
zu danken war, dennoch wahrte er ihr gegenüber weiterhin ein gewisses Mißtrauen und lud sie zum Kronrat nur ein, wenn nichts
Wichtiges auf der Tagesordnung stand. Richelieu drückte es so aus, daß man sie ›ins Schaufenster des Ladens blicken ließ,
aber nicht ins Lager‹.
Nachdem die Königinmutter einmal ihren Sitz im Kronrat hatte, zeichnete Richelieu ihr die Richtlinien ihres Betragens vor:
Erstens, den Ministern nicht zu widersprechen, vor allem wenn sie sich einig waren. Zweitens, wenn sie es nicht waren, sich
immer der Meinung eines von ihnen anzuschließen, um nicht isoliert zu erscheinen. Drittens, die Meinung des Königs zu erraten
und sie sich zu
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