Rosen des Lebens
eigen zu machen.
Das Außerordentliche dabei ist – und es besagt viel über den Einfluß des Kardinals auf sie –, daß diese Königin, die man in
ihrer Regentschaft so voller Dünkel, so starrsinnig in ihren Ansichten und so wütend in ihrem Zorn gekannt hatte, diese Verhaltensregeln
befolgte, ohne jemals davon abzuweichen. Man hätte sie auf diesen langwierigen Sitzungen des Kronrats für die bescheidenste
Frau der Welt und für die liebenswürdigste der Mütter halten können.
An diesem einunddreißigsten Januar, als die Königinmutter die besagte Stufe erklomm, die sie für so bedeutend hielt und die
es so wenig war, sehnte ich voll Ungeduld das Ende der Sitzung herbei, denn ich wurde daheim von meinem Vater und La Surie
zum Essen erwartet. Dort fand ich auch einen Brief von Monsieur de Saint-Clair vor, der mich in einige Erregung versetzte.
Nicht etwa daß es seiner schönen Liebe zu Laurena de Peyrolles schlecht ging, ganz im Gegenteil, nur wartete er mit einiger
Ungeduld, daß ich nach Orbieu käme, um sie durch die Hochzeit zu krönen, woran mich bislang, wie man sah, der Feldzug gegen
die Hugenotten gehindert hatte.
Doch abgesehen von diesem Fieber der Erwartung, das sich in halben Worten und in den delikatesten Begriffen ausdrückte, teilte
mir Monsieur de Saint-Clair eine Neuigkeit mit, die nichts mit so süßen Banden zu tun hatte und die mich stark beunruhigte.
In meinem Wald Cornebouc, der eigentlich den Namen Hochwald verdiente, so mächtig standen dort die Bäume, hatten |323| zwei oder drei meiner Dörfler im vergangenen Sommer zur Dämmerung Wölfe gesehen. Ihre Zahl hatten sie nicht feststellen können,
denn sie näherten sich ihnen ja nicht, sondern liefen vielmehr davon, so schnell sie konnten, obwohl die Wölfe sie nicht verfolgten,
vielleicht weil es Nachtjäger sind.
Danach hatte man sie nicht wiedergesehen. Seit aber der Winter übers Land gekommen war mit Frost und Schnee und die Räuber
weniger Wild zu reißen fanden, wagten sie sich bei Nacht dreist zu den Hütten vor und heulten so klagend und bedrohlich, daß
meine armen Bauern hinter ihren dünnen Haustüren noch mehr vor Angst als vor Kälte erstarrten.
Bei Tagesanbruch entdeckte dieser und jener seinen Wachhund erwürgt, seinen Hühnerstall verheert oder, wenn er Schafe hatte,
zwei, drei seiner Lämmer gerissen und verschlungen.
Zum Glück hatten die ärmsten Bauern am wenigsten unter diesen Einbrüchen zu leiden. Weil sie sich einen Hühnerhof oder einen
Schafstall gar nicht leisten konnten, lebten die Tiere mit in ihren Hütten und schliefen quasi neben ihren Strohsäcken, die
sich nicht groß von der Streu ihrer Tiere unterschieden. Die Hütte aber war gut verriegelt, die Wölfe konnten ja das Türschloß
nicht aufbrechen.
Weil mit mir nicht zu rechnen war, denn zu der Zeit befand ich mich vor Montauban, wandte sich Saint-Clair an den Leutnant
der Wolfswache von Montfort l’Amaury. Er schickte einen Sergeanten mit zehn berittenen Wolfsjägern samt ihren Feuerrohren
und einer Meute großer Hunde. Ihre Ankunft richtete die Herzen im Dorf wieder auf, denn es hatte sich schon so mancher in
den Fängen der unersättlichen Bestien gesehen. Schreckensgeschichten aus uralten Zeiten geisterten durch Orbieu, und es gab
keinen, der nicht seine zum besten geben wollte nach der Messe oder bei einem Krug Wein in der Schenke.
Aber die Wolfsjäger waren eine Enttäuschung. Sie brachten kaum etwas zustande, nicht durch ihre Schuld, sondern weil das Dickicht
zu beiden Seiten des Weges, der durch den ganzen Wald führte, so undurchdringlich war, daß nicht einmal die Hunde hindurchkamen.
Doch fanden sie Losung und zahlreiche Fährten und entdeckten schließlich mehrere Tummelplätze im Sand einer Böschung.
|324| Beim Näherkommen erkannten sie runde Höhleneingänge, die in enge Tunnel führten, die im Fackellicht tief und gewunden erschienen.
Die Hunde beschnüffelten die stinkenden Eingänge mit endlosem Gekläff und mit ebenso wütender wie angstvoller Erregung. Der
Sergeant konnte jedoch keinen einzigen bewegen, auch nur eine Pfote in diese Baue zu setzen, so sehr fürchteten sie wahrscheinlich,
an einer Biege des Tunnels vor einen Wolfsrachen zu geraten, ohne sich in einem so finsteren, engen und gewundenen Gang wehren
zu können.
Als der Sergeant feststellte, daß er gegen den Wind stand und die Wölfe ihn nicht wittern konnten, ließ er die Pferde und
die Hunde weiter
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