Rosen des Lebens
mit ihm wichtiger, und so ging ich auf ihn zu und begrüßte ihn, wie es seinem Alter und meinem
geziemte.
Am Vorabend hatte ich an meinem Feuer, sosehr Louison auch girrte, um mich ins Bett zu locken, eine Rede im dörflichen Platt
verfaßt. Zwei, drei Wörter, die ich nicht wußte, hatte Louison mir, wenn auch unwillig, beisteuern müssen, denn ihr stand
der Sinn nach anderem. Über dem Schluß meiner Rede grübelte ich eine Weile, aber das Ergebnis war der Mühe wohl wert, wie
hoffentlich auch der Leser finden wird. Dann steckte ich Feder und Tinte in mein Schreibpult und eilte, dem bald zärtlichen,
bald ärgerlichen Gemaunze meiner Louison zu gehorchen.
Ich habe eine Kopie dieser Rede aufbewahrt, auf die ich sehr stolz bin. Hier ist sie, leider nur auf französisch, denn auf
Platt hatte sie mehr Würze und Vertraulichkeit.
»Meine guten Freunde,
diese schrecklichen Wölfe sind eine Pest, die der Böse zu eurem Schaden gesandt hat. Aber wenn wir uns alle die Hand reichen,
werden wir sie mit Gottes Hilfe von unserem Land vertreiben. Wir sind hergekommen, Monsieur de Peyrolles, Monsieur de Siorac,
Monsieur de La Surie, Monsieur de Saint-Clair, ich und die tüchtigen Soldaten, die ihr dort seht, um euch bei dieser Sache
zu helfen, aber nicht, um sie an eurer Stelle zu tun. Alle, die hier sind, müssen Zeit, Mühe und Mut für dieses Unternehmen
aufbieten und den Befehlen gehorchen, die ich geben werde.
Ich weiß wohl, daß ihr die Beine im Winter nicht hochlegt, sondern euch in diesen und jenen Gewerken müht, um ein paar Sous
zu verdienen. Und ich weiß auch, daß diese Arbeit sich nicht von allein macht, wenn ihr mit uns Krieg gegen die Wölfe führt.
Darum hört, was ich euch sage: Wenn ihr die königliche Steuer nachher nicht ganz aufbringen könnt, leihe ich euch, was fehlt,
und leihe es euch ohne Zinsen. Dazu verpflichte ich mich im Angesicht Gottes in dieser heiligen Kirche.
|327| Ich habe Waffen mitgebracht, Armbrüste und Schleudern. Und ich werde sie jedem anvertrauen, der sich nicht scheut, sie zu
gebrauchen, und bei unserer Sache seinen Mann stehen will. Ich übergebe sie euch zu treuen Händen, Ihr werdet sie gut hüten
und müßt sie mir wiedergeben, wenn wir mit diesen Bestien fertig sind. Welche Erleichterung wird das sein! Und welches Glück
und welche Ehre für die Tapferen, die dann in der Schenke beim Wein oder beim Spiel mit ihren Gevattern ihr Abenteuer erzählen
und dartun können, welchen Anteil sie an diesem Krieg hatten, und wie wird dann der Schubiack die Nase in Scham und Schande
senken, der sich unterm Rock seiner Frau verkrochen hat, um ja nicht mit gegen die Wölfe zu ziehen. Abgesehen davon, daß es
meistens schief ausgeht, wenn man den Drückeberger mimt. Wie sagten unsere Väter so schön: Wer das Lamm spielt, den frißt
der Wolf.
Nach dem Segen des Herrn Pfarrers erwartet euch Monsieur de Saint-Clair in der Sakristei. Er trägt alle in seine Liste ein,
die eine Waffe wollen, und sagt euch im einzelnen, was wir vorhaben. Meine Freunde, ich sage euch: Habt Mut! Mit dieser Pest
werden wir fertig!«
Ein verschmitztes Lächeln im roten Gesicht, begleitete mich Pfarrer Séraphin zum Kirchenportal.
»Wenn Ihr erlaubt, Euch das zu sagen, Herr Graf«, murmelte er: »Ihr habt eine vortreffliche Predigt gehalten. Besonders den
Schluß habe ich bewundert, wo Ihr von den Wackeren spracht, wie sie sich nach dem Kampf rühmen können. Das war sehr geschickt«,
sagte er genießerisch.
»Aber das ist nicht ganz mein Verdienst«, sagte ich. »Ich hatte ein Vorbild, namentlich für diesen Schluß.«
»Wir haben alle Vorbilder«, sagte Séraphin vertraulich, als weihe er mich nach dieser schönen Probe gern in die Geheimnisse
seiner Bruderschaft ein. »Ich schreibe nie eine Predigt, ohne daß ich in dem ausgezeichneten Buch von Monsieur de Richelieu
nachlese, wie er den Gegenstand behandelt hat.«
Sieh an, dachte ich, Richelieu wirkt auf hunderterlei Weise: Er erleuchtet die Königinmutter wie den Pfarrer im Dorf.
Als Monsieur de Saint-Clair die Waffen verteilt hatte – fast alle hatten welche gewollt, bis auf die Alten und Gebrechlichen
–, |328| kam er in die Bibliothek, und wir beratschlagten zu viert, mein Vater, La Surie, Saint-Clair und ich.
»Die meisten«, sagte Saint-Clair, »wollten lieber eine Schleuder als eine Armbrust. Kein Wunder, die Schleuder kennt jeder,
denn wer hat als kleiner Junge damit nicht Spatzen
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