Rosen des Lebens
mir, den ich in Orbieu noch nie getragen habe.«
Nun wurde abgelehnt und beharrt, verweigert und beruhigt ohne Ende. Schließlich aber war Saint-Clair bereit, mir in mein Zimmer
zu folgen. Mit Louisons Hilfe und ein paar geschickt gesetzten und versteckten Nadeln konnte Monsieur de Saint-Clair sich
in einem azurblauen Seidengewand bewundern, das ihm vorzüglich stand.
»Herr Graf«, sagte Louison, als Saint-Clair glückstrahlend gegangen war, »sind das nicht Wams und Kniehosen, die Ihr morgen
zur Hochzeit von Monsieur de Saint-Clair tragen wolltet?«
»Stimmt«, sagte ich mit ein wenig Bedauern.
»Und was tragt Ihr nun?«
»Den Anzug, den ich anhabe.«
»Er ist nicht schlecht«, meinte Louison, indem sie mich musterte. »Aber mit dem, den Ihr Monsieur de Saint-Clair geborgt habt,
kommt er nicht mit. War das nun besonders schlau, Pierre auszuziehen, um Paul anzuziehen? Wirklich«, fuhr sie fort, »auf dieser
Hochzeit wird der Baron eleganter aussehen als der Graf und der Verwalter reicher als sein Herr. Ach, ich hab’s«, sagte sie,
»Ihr könntet Euer Ordenskreuz anlegen.«
»Das sowieso. Ich habe es dem Pfarrer versprochen.«
»Dann mag es gut sein«, sagte Louison.
»Bah, unwichtig.«
»Aber mir«, sagte sie, »mir ist es nicht unwichtig!«
Und auf einmal rollten zwei dicke Tränen über ihre braunen Wangen.
»Louison, was hast du?« fragte ich erschrocken. »Warum weinst du?«
»Ich muß eben weinen. Ihr jedenfalls werdet lachen, wenn Ihr heiratet.«
»Warum sollte ich lachen, Louison? Du weißt doch, ich habe dich furchtbar gern.«
»Monsieur de Saint-Clair hatte Jeannette auch sehr gern, und heute lacht Monsieur de Saint-Clair in Eurem schönen Anzug wie
ein Seliger im Paradies, und die arme Jeannette sitzt in ihrer Kammer und weint sich die Seele aus dem Leib.«
»Louison, geh sie trösten!« sagte ich, »Laß sie nicht allein. Und du, mein Lieb«, setzte ich hinzu, indem ich sie an mich |333| drückte, »mach dich nicht vor der Zeit unglücklich. Meine Hochzeit ist ja nicht morgen.«
»Herr Graf«, sagte sie und schmiegte sich an mich, während ihre Tränen weiter flossen, »Ihr habt ein großes Herz und eine
offene Hand. Ihr seid gut, aber Eure Güte ändert nichts. Es ist nicht Eure Schuld und nicht meine, es liegt an meinem Stand.
Der ist mir in die Haut gebrannt wie dem Galeerensträfling die Lilie.«
»Was redest du von deinem Stand? Hast du dich nicht weit darüber erhoben?«
»Aber nicht bis zu Euch, das ist das Unglück, und ich werde mich dran gewöhnen müssen. Wie das Sprichwort sagt: Bei der Geburt
weint der Mensch in der Wiege, und jeder Tag lehrt ihn, warum.«
***
Schöne Leserin, nun werden Ihre schönen Augen weinen! Aber kann ich dafür? Die Zeit eilt unerbittlich und hält mich in ihrem
Bann. Ob ich will oder nicht, muß ich Ihnen erzählen, wie zu Beginn des Jahres 1622, in dem wir jetzt sind, für das Königspaar
die Rosen des Lebens verwelkten und wie Abneigung gleich einem unheilbaren Geschwür ihre gegenseitige Liebe mehr und mehr
zerfraß.
Anfang Februar erfuhr ich, daß Ihre Majestät die Königin wieder schwanger war, und weil sie ihre Frucht schon zweimal verloren
hatte, wurde ihr von ihrem Leibarzt die größte Schonung verordnet. Sie mußte früh schlafengehen, sich oft niederlegen, durfte
keine langen Spaziergänge machen, durfte sich keine späten Abende, keine Anstrengungen, keine jähen Bewegungen zumuten. Der
König wiederholte ihr diese Empfehlungen immer wieder, nach so grausamen Enttäuschungen stand alles auf einer Karte für sie
wie für ihn wie für das Königreich.
Ludwig beharrte um so dringlicher darauf, als er Unheil von der weiblichen Umgebung der Königin fürchtete. Wie man weiß, hatte
er ihre spanischen Damen gehaßt und verachtet und nicht geruht, bis sie heimgeschickt wurden. Aber die französischen Freundinnen
seiner Gemahlin waren nicht weniger beunruhigend. Im Gegenteil. Die Prinzessin Conti und Madame de Luynes führten vor aller
Augen ein ausschweifendes Leben. Mademoiselle de Verneuil war nicht viel besser, wenigstens in |334| Worten nicht, denn die Unterhaltung in den Gemächern der Königin überschritt die Grenzen des Schicklichen. Schöne junge Herren
nahmen daran teil und überboten einander vor der Königin in zügellosen Reden. All das unter der Maske von Anmut und Frohsinn.
Doch am Hof und sogar außerhalb des Hofes gab es Gerede.
Die Minister gerieten in Sorge, und weil sie
Weitere Kostenlose Bücher