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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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geschossen?«
    »Nicht nur Spatzen, auch Amseln«, sagte mein Vater, »und was schlimmer ist«, setzte er lächelnd hinzu, »die Tauben des Herrn,
     wenn sie sich leichtsinnig im Kirschbaum ihres Gartens niederließen. Eins, zwei, waren sie gerupft, ausgenommen und im Kochtopf
     verschwunden, die Federn wurden fix verbrannt, um keine Spur zu hinterlassen, und man genoß mit der um ein bißchen Fleisch
     aufgebesserten Gemüsesuppe auch die Wonnen der verbotenen Frucht.«
    »Aber um einen Wolf zu erlegen, braucht es schon einen sehr großen Stein und einen sehr geschickten Schleuderer«, sagte La
     Surie.
    »Immerhin gibt es Vorbilder«, sagte Saint-Clair lächelnd: »David tötete Goliath mit einer Schleuder. Und wenn mehrere sich
     zusammentun und einen Steinhagel auf ein Rudel loslassen …«
    »Jedenfalls«, sagte mein Vater, »wird der Besitz einer Waffe, und sei er vorübergehend, Euren Dörflern wieder Mut machen und
     ihre Kampfeslust wecken. Das ist das Wichtigste. Ich setze ja mehr auf die Fallen und die Petarden. Wenn wir die Höhlen gleich
     damit sprengen würden, wäre der Kampf schnell zu Ende. Aber«, setzte er nach einem Schweigen hinzu, »das wäre nicht in Eurem
     Interesse, mein Sohn, noch, wohlgemerkt, im Interesse Eurer Bauern.«
    »Wie meint Ihr das, Herr Vater?« fragte ich verwundert.
    »Ihr habt jetzt so viele Arme zur Verfügung, und zu so geringen Kosten, daß Ihr und Monsieur de Peyrolles den ganzen Cornebouc-Wald
     von seinem undurchdringlichen Dickicht befreien könnt. Es wäre ein Jammer, mit den Wölfen aufzuräumen, bevor diese Aufgabe
     nicht geschafft ist. Bedenkt, daß Ihr dann einen so reinlichen Wald habt, daß sich dort so leicht kein Feuer mehr entzündet
     und daß dort künftig auch kein Wolf mehr seinen Bau graben wird, weil es an Gebüsch und Unterschlupf mangelt. Und dabei rede
     ich nicht einmal davon, wieviel schwerer es den Wilderern dann wird, ihre Fallen zu stellen.«
    |329| Dieser Vorschlag erschien mir so sinnreich, daß ich ihn sofort annahm, wenn auch nicht ohne Gewissensbisse, denn ich sah wohl,
     daß Monsieur de Saint-Clair nicht begeistert war. Wenn der Krieg gegen die Wölfe sich hinzöge, dachte er sicherlich, wäre
     auch seine Hochzeit aufgeschoben. Er sagte jedoch keinen Ton, so sehr gingen ihm seit Anfang seiner Verwaltung meine Interessen
     über alles andere.
    Ehe wir nun also mit dem großen Krieg begannen, setzten wir den Feinden mit allerlei Geplänkel zu. Die Auslichtung half dabei
     tüchtig. Ich hieß die Bauern, das Dorngestrüpp, das sie schnitten, wegzufahren und zu Wällen für ihre Schäfereien und Hühnerhöfe
     aufzuschichten. Ich ließ sie vor ihren Hütten nicht zu tiefe Gräben ausheben und ebenfalls mit Dornenreisern füllen, die sie
     mit leichtem Gezweig und einem dünnen Teppich aus Moos und Gras bedecken sollten.
    All das tote Holz, das sich unterm lebendigen Dickicht fand, wurde am Waldsaum, in sicherem Abstand von den Bäumen, aufgehäuft
     und in der Dämmerung, wenn der Wind nicht aus der falschen Richtung blies, verbrannt. Der Schankwirt mußte seine Schenke schließen,
     sowie es dunkelte, damit kein Liebhaber der göttlichen Flasche unterwegs in der Finsternis angefallen würde. Und in den unheimlichen
     Stunden nach Mitternacht machten meine Schweizer auf ihren großen Pferden, Fackeln in der Hand, die Runde um die abgelegenen
     Gehöfte, zwar ohne die Erwartung, jemals auf Wölfe zu stoßen, doch um sie durch Flammenschein und Lärm zu erschrecken. Gleichzeitig
     beruhigte ihre geräuschvolle Wacht die Dorfbewohner.
    Die Überfälle nahmen ab, ohne daß sie aber ganz aufhörten. Kein Wolf ging in irgendeine Falle, kein Stein im Dämmerlicht erreichte
     je sein Ziel. So geschwinde die Wölfe auftauchten, verschwanden sie auch. Einmal traf ein Bauer mit der Armbrust ein vereinzeltes
     Tier, das er im Morgengrauen von der Luke seines Heubodens erspäht hatte. Weil es am Morgen aber nicht aufzufinden war, glaubte
     niemand im Dorf an dieses Schützenglück, bis man zwei Tage später am Waldsaum auf einen zu drei Vierteln gefressenen Wolf
     stieß, in dessen rechtem Hinterlauf noch der Pfeil steckte, der ihn verkrüppelt und zur Beute seiner ausgehungerten Brüder
     gemacht hatte.
    Der Teil des Waldes, der Monsieur de Peyrolles gehörte, |330| etwa ein Zehntel des meinen, war natürlich schneller gesäubert als unser Bereich. Sobald das Dickicht beseitigt war, stellte
     Monsieur de Peyrolles seine Männer in einer helleren

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