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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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wegführen, dann ging er mit seinen Männern zu den Bauen und räucherte einen nach dem anderen. Hierauf wich
     er zurück und begab sich auf den Anstand. Aber solange er auch wartete, erspähte er weder glühende Lichter noch Fangzähne
     und schloß daraus, daß die Wölfe ihren Bau entweder beim ersten Geräusch der Nachstellung verlassen hatten oder daß die Höhlen
     einen zweiten Ausgang hatten, vielleicht in dem hohen, undurchdringlichen Dickicht, das wenige Klafter hinter der Wegböschung
     begann. Bevor der Sergeant, den dieser Mißerfolg sehr zu grämen schien, Orbieu verließ, riet er Saint-Clair nicht ohne Bitterkeit,
     das Unterholz auszulichten, sonst, sagte er, käme nicht einmal der heilige Hubert diesen Satansbestien bei. Ein vortrefflicher
     Rat, nur nicht so leicht auszuführen mit unseren Dörflern, die, wie man weiß, im Winter verschiedenen Gewerben nachgingen,
     um ein paar Sous für die königliche Steuer zu verdienen.
    All dies schilderte Saint-Clair in seinem Brief bis in jede Einzelheit. Zum Schluß fügte er hinzu, daß er in Unkenntnis meiner
     Rückkehr es auf sich genommen habe, ein Dutzend Armbrüste zu kaufen und damit jene Dörfler zu versehen, die dem Waldrand am
     nächsten wohnten und unter dem nächtlichen Unwesen der Wölfe am meisten zu leiden hatten. Nun übe er seine Leute im Schloßhof
     im Scheibenschießen, und seine Rekruten gäben sich große Mühe, immer besser zu treffen, aber nicht nur, weil sie ihre Familien
     beschützen wollten, sondern weil sie sehr stolz waren, eine Waffe in Händen zu haben, die, mochte sie auch noch so altertümlich
     sein, dennoch furchtbar war durch ihre Stille, ihre Reichweite und ihre Schlagkraft. Saint-Clair meinte, wenn es einem Bauern
     von |325| seiner Hütte aus gelänge, einem Wolf seinen Pfeil in Brust oder Flanke zu jagen, würden die Räuber wohl nicht mehr ganz so
     verwegen sein.
    Dieser Brief bewegte mich so sehr, daß ich ihn nach dem Essen meinem Vater und La Surie vorlas. Nach der Lektüre meinten sie,
     die Lage sei ernst, wir müßten schnellstens nach Orbieu, nicht ohne ein Dutzend Schweizer zu mieten und uns gut mit Waffen
     und Fallen zu versorgen.
    »Mein Vater«, sagte der Marquis de Siorac, »hat mir erzählt, daß im Périgord einmal ein Wolfsrudel so mörderisch in ein Gut
     einfiel, daß die Bauern fast alle Reißaus nahmen und ihr Vieh den wütenden Angreifern überließen.«
    »Ist es denn nicht gefährlich«, meinte La Surie, »den Dörflern Armbrüste anzuvertrauen, die sie nach überstandener Gefahr
     doch auch gegen ihre Nachbarn, ja sogar gegen ihren Herrn richten könnten?«
    »Sicher«, sagte mein Vater, »die Gefahr besteht. Deshalb werden den Leuten die Waffen auch nicht geschenkt, sondern geliehen
     und wieder eingesammelt, nachdem man die Wölfe losgeworden ist. Pierre-Emmanuel, versucht doch, daß Ihr dieselben Schweizer
     bekommt, die den Wetterhahn von Rapinaud abgeschossen haben, und sagt ihnen gleich, daß es auch um Hilfe beim Auslichten des
     Waldes geht.«
    Wir brauchten zwei volle Tage, unsere Einkäufe zu machen. Erst am zweiten Februar brachen wir auf. Gleich nach unserer Ankunft
     in Orbieu lud ich Monsieur de Peyrolles zum Besuch ein, und wir hielten mit ihm Rat, denn er war in der gleichen Lage wie
     wir. Sein Besitz grenzte an meinen Wald Cornebouc, von dem auch er einen kleinen Teil besaß, und seine Bauern waren den Räubern
     ebenso ausgesetzt wie unsere. Wir mußten also unsere Geigen abstimmen, um entsprechende Maßnahmen zu treffen, denn wie furchtbar
     für Monsieur de Peyrolles, wenn unser Kriegszug die Wölfe auf seinen Besitz vertrieben hätte. Deshalb vereinbarten wir, daß
     er sein Waldstück ebenfalls auslichte, und sei es nur, damit es nicht zum Refugium der Tiere werde, die vor unseren Unternehmungen
     flohen.
    Als wir alle Bauern, die von Orbieu, die von Monsieur de Peyrolles und auch die von Saint-Clairs Baronie zusammenriefen, war
     unsere Kirche so voll, daß kein Blatt zu Boden fallen konnte. Mein Vater, La Surie, Saint-Clair und ich nahmen |326| im Chor Platz, wo fünf Minuten später Monsieur de Peyrolles zu uns stieß. Erhobenen Hauptes, kam er martialisch dahergeschritten,
     an der Seite einen Degen, der meinem Vater und La Surie ein Lächeln abnötigte, nicht weil ein Mann des Amtsadels keine Waffe
     hätte tragen dürfen, sondern weil diese einen goldenen, mit Edelsteinen eingelegten Knauf hatte wie ein höfisches Prunkstück.
     Mir war die gute Nachbarschaft

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