Rosen des Lebens
Nacht und bei günstigem Wind mit Feuerrohren auf den Anstand. Aber alles
Lauern war umsonst. Kein Wolf wagte sich auf so kahles Gelände. Das gab mir die Zuversicht, daß die Wölfe, sobald die Auslichtung
auch in meinem Wald beendet wäre, diesen ihrer Jagd so ungünstigen Raum von selbst verlassen würden. Doch als es soweit war,
mochte ich die Hand dafür nicht ins Feuer legen. Und sowohl um einen großen Schluß zu machen wie um meinen Dörflern zum Lohn
für ihre Mühen die Genugtuung einer Siegesfeier zu bereiten, rief ich mein kleines Heer von Schleuderern und Armbrustschützen
und meine tüchtigen Schweizer an jener Böschung zusammen, wo die Wolfsjäger von Montfort die Höhlenöffnungen entdeckt hatten,
und nun setzte ich die Petarden ein, die der Marquis de Siorac von Paris mitgebracht hatte.
Diese Petarden waren kein Kinderspielzeug, sondern echte Kriegspetarden, wie sie bei einer Belagerung verwendet werden, um
ein Stadttor zu sprengen, sofern man ihm, wohlverstanden, trotz gegnerischen Feuers nahe kommen kann.
Als die Lunte gezündet war, ließ ich die Sprengkörper mit Stangen so tief es ging in die Baue schieben. Dann ging ich mit
allen Anwesenden in die angemessene Entfernung und wartete. Die Explosion des Pulvers erfolgte mit einem Lärm wie mehrere
Donnerschläge, Rauch und Sandfontänen schossen hoch auf.
Dieses Schauspiel ergötzte meine Leute sehr. Und nach ergriffenem Schweigen brachen sie in ein Triumphgeschrei aus, weil ihre
Verfolger nun auf immer beerdigt waren. Einige wollten sogar Schippen holen und die Bälger ausgraben, schließlich hätten deren
Pelze oder Köpfe denkwürdige Trophäen abgegeben. Aber ich verbot es ihnen energisch unter dem Vorwand, daß der Sand jetzt
zu locker sei und ihnen zur Falle werden und sie ersticken könnte. In Wahrheit fürchtete ich aber vor allem, daß sie, wenn
sie nichts fänden, sich um ihren Sieg betrogen fühlen würden, denn ich war überzeugt, daß die Wölfe als unendlich listige
Tiere, von unseren Anstalten gewarnt, ihre Baue rechtzeitig verlassen hatten.
Während der vierzehn Tage, die unser Krieg gegen die |331| Wölfe währte, beschleunigte Monsieur de Peyrolles, der seine Tochter schmachten sah, die Vorbereitungen zu ihrer Hochzeit,
die am fünfzehnten Februar in der Kirche von Orbieu stattfand. An dem Tag aber, bevor Saint-Clair seine irdische Seligkeit
erreichen sollte, machte er ein so sorgenvolles Gesicht, daß ich ihn beiseite nahm und unter vier Augen nach dem Grund seines
unerklärlichen Kummers fragte.
»Ach, Herr Graf!« sagte er, Tränen am Rand der Wimpern, »heute morgen besuchte ich Monsieur de Peyrolles, und in seiner Güte
führte er mich in das Zimmer, wo seine Tochter ihr Brautgewand anprobierte. Wahrhaftig, Herr Graf, Ihr könnt Euch den wunderbaren
Reifrock nicht vorstellen, den meine Schöne trug! Nichts wie schimmernde Seide und Satin! Und an ihrem Mieder unzählige Perlen,
und ein Venezianer Spitzenkragen und Schmuck, nicht zu beschreiben, kurzum, ein Gewand, würdig einer Prinzessin mit hunderttausend
Livres Renten. Zuerst war ich ganz in Bewunderung versunken. Aber nachdem ich gegangen war, wurde mir klar, daß das, was ich
mir morgen auf den Leib ziehen kann, im Vergleich mit diesem Prachtkleid bare Lumpen sind. Wie soll ich mich ohne die tiefste
Scham neben soviel Schönheit zeigen?«
»Aber, mein Freund«, sagte ich verblüfft, »Euch mangelt es doch nicht mehr an Geld. Wieso habt Ihr Euch nicht beizeiten mit
einem Gewand versehen, das Eures Ranges würdig ist?«
»Weil ich dachte, wenn wir in unserer Dorfkirche heiraten, ginge alles ganz schlicht zu.«
»Schlicht?« rief ich lachend. »Bei Monsieur de Peyrolles? Habt Ihr eine Ahnung! Der gute Mann wird die Hochzeit seiner Tochter
ebenso vergolden wie seine Kutsche. Und kann man es ihm verdenken? Laurena ist alles, was er hat, und er liebt sie sehr.«
»Was für ein Narr ich war!« rief Saint-Clair und schlug sich vor die Stirn. »Schon die Art, wie Monsieur de Peyrolles das
Rapinaud-Haus, das Ihr uns so gütig überließt, ausgestattet und möbliert hat, hätte mich doch warnen müssen! Aber was nun?
Ich werde mich an Laurenas Seite ausnehmen wie ein Bettelmann. Ich weiß mir keinen Rat.«
»Halb so schlimm, Baron«, sagte ich lachend. »Ihr und ich, wir sind ungefähr gleich gewachsen. Ihr braucht nur das Angebot
anzunehmen, das ich Euch guten Herzens mache: Ich |332| leihe Euch einen Anzug von
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