Rosen des Lebens
sich dem König zunächst nicht zu eröffnen wagten, baten sie den Nuntius, beim
Beichtvater der Königin vorzusprechen, damit er Ihre Gnädigste Majestät auf die Gefahr hinweise, in die ihre Freundinnen sie
brachten.
Der Nuntius war gewandt, der Beichtvater bewegend. Die Königin hörte es, bereute, vergoß eine Träne und hatte es am nächsten
Tag vergessen. Im übrigen, was hätte es für sie bedeutet, ihre leichtfertigen Freundinnen zu entlassen? Sie wäre ewiger Langeweile
verfallen, allein zwischen einer Schwiegermutter, die ihr nicht eben wohl wollte, und einem König, den sie zwar liebte, aber
der ihr durch Jagd und Krieg und die großen Reichsangelegenheiten immer wieder geraubt wurde. Ludwig seinerseits zögerte,
dem verderblichen Einfluß ihrer Freundinnen ein Ende zu setzen, denn die Damen waren so hochwohlgeboren und standen ihm so
nahe, daß sie nahezu unantastbar waren. Die Prinzessin Conti, zugleich Guise und Bourbonin, war seine Cousine, Mademoiselle
de Verneuil seine Halbschwester, Madame de Luynes die Gemahlin seines Favoriten.
Man muß aber auch sagen, daß der König derzeit andere Sorgen hatte, und sehr viel größere. Siegestrunken von ihrem Erfolg
in Montauban, machten sich die Hugenotten aufs neue mausig. Aus Rache dafür, daß er dem Souverän Saint-Jean-d’Angély hatte
überlassen müssen, sammelte der vermessene Soubise ein Heer gegen ihn und nahm ihm an der Atlantikküste eine Stadt nach der
anderen. Ludwig mußte wieder in den Krieg.
Es heißt, Prinz Condé habe ihn dazu gedrängt. Sein Drängen, falls er ihn wirklich drängte, war ganz unnötig. Es gab für Ludwig
ein unumstößliches Gesetz, das sich durch seine ganze Herrschaft bewahrheitete: Niemals litt er, daß Spanier oder Hugenotte
ihm eine Stadt nahm, ohne daß er sofort zum Schwert griff und den Feind berannte, bis er sie wiederhatte.
|335| Mitten in diesen für ihn so sorgenschweren Tagen traf ihn ein Unglück von einer Seite, von der er es am wenigsten erwartet
hatte. Als Ludwig am sechzehnten März um drei Uhr nachmittags aus dem Kronrat kam, wurde ihm gemeldet, daß die Königin zum
drittenmal ihre Frucht verloren hatte. Er ging sofort zu ihr.
Sie lag zu Bett und weinte heiße, bittere Tränen. Über zwei Stunden saß er bei ihr, bemühte sich, sie zu trösten, aber ach,
die Zeit drängte, er konnte den Marsch ins Feld nicht hinausschieben.
Vier Tage später brach er auf. Aber zu aller Erstaunen heimlich, wie Heinrich III., als der Herzog von Guise ihn im Louvre
belagerte. Anstatt den Palast durch die Porte des Bourbons zu verlassen, vor der ihn eine große Menschenmenge erwartete, um
ihm zuzujubeln, ging Ludwig über die Große Galerie, durch die Tuilerien und überquerte die Seine. Dort stieg er zu Pferde
und eilte zu seinem Heer, das ihn vor den Toren von Paris erwartete.
Ich konnte ihm nicht folgen. Ich lag in meiner Louvre-Wohnung mit Halsschmerzen und leichtem Fieber zu Bett. Nachdem La Barge
mir den Aufbruch des Königs gemeldet hatte, zerbrach ich mir den Kopf darüber, wieso, zum Teufel, Ludwig seine Hauptstadt
so heimlich verlassen hatte. Und ich kam zu dem einzig möglichen Schluß, daß er im Gedanken an den Haß der Pariser auf die
Hugenotten vermeiden wollte, daß der Pöbel sich durch seinen Auszug angestachelt fühlte, mit Wutgetöse und Brandfackeln erneut
über die Ketzer herzufallen. Das hätte seinen Feldzug wie einen Kreuzzug erscheinen lassen, was er um keinen Preis wollte.
Denn wieder und wieder hatte er gesagt, er führe nicht Krieg gegen die reformierte Religion, sondern gegen aufsässige Untertanen.
Mein Vater besuchte mich am einundzwanzigsten gegen neun Uhr morgens. Er schaute sich meine Kehle an, fühlte mir den Puls
und sagte, ich solle schön brav im gut geheizten Zimmer bleiben, mit warmem Alaunwasser gurgeln, viel trinken, wenig und nur
weiche Speisen essen, die meinen geschwollenen Schlund nicht schmerzten, und ich wäre in drei Tagen wieder auf den Beinen.
Wenn ich allerdings, fügte er mit einem Schmunzeln hinzu, Lust hätte, länger krank zu sein und mich ordentlich mattsetzen
zu lassen, solle ich mich nur getrost von den Hofärzten purgieren, schröpfen und auf Diät setzen lassen. |336| Ich fühlte mich schon viel besser, als der Marquis de Siorac mich verließ, so ansteckend war seine Munterkeit. Und obwohl
ich nicht allzu fromm bin – nicht so sehr, weil ich mich von Gott entfernt hätte, sondern weil mich die
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