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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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mich ein wenig entwaffnet hatte, ging sie zum Sturm über.
    »Herr Graf«, sagte sie, »wenn Ihr ein bißchen Herz hättet, würdet Ihr mich hier schlafen lassen, auf Eurem Sessel hier vorm
     Feuer.«
    »Na gut«, sagte ich, »mach, wie du willst.«
    Sie ging den Riegel vorlegen, und das letzte, was ich sah, als sie meine Kerze ausblies, war ihr lachendes Gesicht. Mich blies
     der Schlaf aus wie sie meine Kerze, und erst bei hellichtem Tag erwachte ich mit einem unerhörten Glücksgefühl: Ich war in
     Orbieu, in meinem Eigentum Orbieu, und Louison lag nackt in meinen Armen, ihre festen, süßen Brüste an meiner Brust.

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    |81| VIERTES KAPITEL
    Acht Tage blieb ich in Orbieu. Bei jedem Wetter, und jedes scheußlich kalt, durchstreifte ich mit meinem Vater, La Surie und
     unseren Soldaten zu Pferde meinen Besitz. Die Wege waren allesamt so fürchterlich, daß ich mich wunderte, wie die Erntekarren
     – in der Heumahd, der Kornernte, der Weinlese – darauf nicht zehnmal umstürzten. Alle Leute, die ich unterwegs traf, sprach
     ich an, oder ich suchte sie in ihren Hütten auf, doch ging ich nie weiter als bis zur Schwelle, so stank es aus diesen Häusern,
     wo Tiere und Menschen zusammenlebten, und so groß war meine Furcht, daß die Miasmen meinen Vater krank machen könnten. Ich
     hatte aber nur wenig Erfolg bei diesen Gesprächsversuchen. Abgesehen von ein paar wohlhabenden Bauern, die einigermaßen Französisch
     sprachen, mußte ich einsehen, daß die meisten Leute die Sprache Montaignes nicht verstanden oder aber aus Angst oder List
     so taten, als verstünden sie kein Wort. Auch hatte ich den Eindruck, daß bei den Ärmsten ein jahrhundertealtes Mißtrauen gegen
     den Herrn tiefe Wurzeln geschlagen hatte und daß sie nichts von mir erwarteten, vor allem nichts Gutes.
    Als ich hörte, daß Figulus einmal eine Art Wörterbuch der Sprache dieser Gegend zusammengestellt hatte, schickte ich La Barge
     mit der Bitte hin, mir das Werk zu leihen, und als ich es durchsah, staunte ich über seine Qualität, denn außer einer langen
     Liste von Wörtern und Angaben zu ihrer Aussprache enthielt es eine kleine Grammatik und eine reiche Sammlung von Sprichwörtern
     und ländlichen Redewendungen. Auf Grund der Lektüre faßte ich große Achtung für diesen Figulus mit den traurigen Hundeaugen,
     dessen langes, bleiches Gesicht mich zuerst an ein Wachslicht erinnert hatte. Ich lud ihn ein und sagte ihm, wie sehr ich
     sein Werk schätzte. Darüber wurde er so glücklich, daß sein schwermütiges Gesicht sich im Nu erhellte.
    »Es ist das Werk mehrerer Jahre, Herr Graf«, sagte er. »Ich habe es zu Lebzeiten des seligen Pfarrers von Orbieu begonnen, |82| des Onkels von Monsieur Séraphin, bei dem ich auch schon Vikar war.«
    »Wieso, Monsieur Figulus«, fragte ich, »seid Ihr denn ausgebildeter Priester? Als ich sah, welche untergeordneten Aufgaben
     Ihr in dieser Gemeinde verrichtet, dachte ich, Ihr wärt Diakon oder Unterdiakon.«
    »Ich bin ausgebildeter Priester«, sagte Figulus mit bescheidenem Stolz. »Aber weil es für diese von Euch genannten Aufgaben
     hier nur mich gibt, muß ich sie schon auf mich nehmen. Ich bin alles in einer Person, Akoluth, Küster, Sakristan, Glöckner,
     Katechet, Totengräber und Schulmeister.«
    »Das ist aber ein großes Stück Arbeit, Monsieur Figulus, und ein sehr verdienstvolles. Ich hoffe, das Bistum lohnt es Euch
     eines Tages mit einer guten Pfarre.«
    Figulus lächelte traurig.
    »Nein, nein, Herr Graf, Pfarrer werde ich nie.«
    »Warum nicht?«
    »Ich habe nicht das Geld dafür.«
    »Wieso?« fragte ich verblüfft, »dafür braucht man Geld?«
    »Ja, sicher. Ein Anwärter kann sich vom Bischof keine Pfarre erhoffen, wenn er nicht eine Jahresrente von mindestens fünfzig
     Livres mitbringt. Was ein Kapital von mindestens tausend Livres voraussetzt! Die habe ich nicht, und weil ich auch keine wohlhabenden
     Verwandten und keinen Gönner habe, kann ich nie Pfarrer werden.«
    »Und der Herr Pfarrer Séraphin besaß eine solche Summe?«
    »Gewiß! Als sein Onkel sein Ende nahen fühlte, vermachte er ihm seine Pfarre. Die Überschreibung wäre aber wirkungslos geblieben,
     hätte er ihm von seinem Vermögen nicht gleichzeitig besagte Rente ausgesetzt. Hiernach stand seiner Ernennung durch den Bischof
     nichts mehr im Wege.«
    »Ich muß gestehen«, sagte ich nach einem Schweigen, »ich bin einigermaßen entrüstet über diese Vorschrift, daß der Stellvertreter
     Christi in einem

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