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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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sollte man aus diesem Bekenntnis nicht schließen, daß Ludwig für die Reize des
gentil sesso
keineswegs unempfänglich war und daß er seinen Gefühlen nur darum nicht nachgab, weil er am Hofe Frankreichs und erst recht
     in der langen Folge unserer Könige ein seltenes Wesen war: ein tugendhafter Mensch. Ich sage dies ohne Spott und rabelaisisches
     Gelächter. Ganz im Gegenteil, ich bewundere an Ludwig, mit welcher Treue er an seinem Glauben und seiner Gesittung festhielt,
     und das um so mehr, als mir diese, wie man sah, nicht liegt.
    Mein Vater, der sich auf die offene Zuneigung des Königs zu Madame de Luynes berief, kam zu den gleichen Schlußfolgerungen.
     Man dürfe sich, sagte er, über die Blicke nicht täuschen, die er sozusagen naiv auf ihr ruhen lasse. Er liebe und begehre
     sie, aber er wolle rein bleiben und wünsche sie keusch. Daher sein schrecklicher Zorn, als sie ohne viel Bedenken ins Bett
     des Herzogs von Chevreuse hüpfte. Hätte Ludwig in biblischen Zeiten gelebt, er wäre der erste gewesen, der sie gesteinigt
     hätte.
    »Herr Marquis, wenn Ihr recht hättet«, sagte La Surie, »ist Ludwig nicht jener Frauenverächter, als den man ihn anhand einiger
     seiner kindlichen Aussprüche meistens hinstellt. Aber, wie erklärt Ihr Euch das: Die Königin ist hübsch, jung und anziehend,
     das Sakrament der Kirche hat sie ihm zur Frau gegeben, und doch bringt er es nicht über sich, von Anfang an seine Gattenpflicht
     und seine Pflicht als König zu erfüllen? Müßte seine Tugend hier nicht für den Akt sprechen?«
    »Jaja«, sagte mein Vater, »aber Vögeln ist ein schwierig Ding, wenn man es noch nie gemacht hat, vor allem mit vierzehn |119| Jahren und mit einem gleichaltrigen Mädchen, das ebenso unerfahren ist wie der Gemahl und obendrein höchstwahrscheinlich voller
     Ängste.«
    »Ich glaube auch«, sagte ich, »daß Ludwigs große Abneigung gegen alles Spanische bei diesem Scheitern eine Rolle gespielt
     hat. Ludwig wußte genau, daß von dorther alle Dornen und Prüfungen rührten, unter denen Frankreich zu Lebzeiten seines Vaters
     und auch schon früher zu leiden hatte. Auch wußte er, daß sein Vater ihn niemals mit einer Infantin vermählt hätte, und allein
     schon, daß seine Mutter diese Wahl traf, galt ihm als Verrat. Deshalb nahm er die Geschenke, die ihm der König von Spanien
     zur Verlobung mit seiner Tochter schickte, so übel auf. Ich habe es Euch erzählt, Herr Vater. Es handelte sich um duftende
     Leder und fünfzig Paar Handschuhe. Ludwig betrachtete sie geringschätzig und sagte: »Daraus mache ich Halsbänder für meine
     Hunde und Zaumzeug für meine Pferde.«
    »Hinzu kommt ein sehr unglücklicher Umstand«, sagte mein Vater. »Anna von Österreich trat in Ludwigs Leben im selben Moment,
     als seine Schwester Elisabeth ihn auf immer verließ, um Königin von Spanien zu werden. Dieser Verlust, der ihm lange Wochen
     Appetit und Schlaf raubte, mußte die Ankunft der kleinen Königin für ihn zwangsläufig in düstere Farben tauchen. Spanien verwundete
     Ludwig gleich zweimal: Es nahm ihm seine geliebte Schwester und gab ihm dafür eine Frau, die er gar nicht wollte.«
    »Ja, wenn die Königinmutter«, sagte ich, »diesem wenig geliebten Sohn die Zeit gelassen hätte, sich mit der Fremden anzufreunden
     und sich von seiner brüderlichen Trauer zu erholen! Aber wie hätte ihr diese zartsinnige Idee auch nur einfallen sollen, hatte
     die Trennung von ihrer ältesten Tochter sie ja selbst kaum berührt. Statt dessen führte sie das Ganze trommelschlagend mit
     ihrer üblichen Rohheit in einem Zuge durch bis zur Hochzeitsnacht. Der kleinen Königin blieb kaum Zeit, sich von der langen,
     holprigen Reise auszuruhen, da befahl die Regentin auch schon, die zu Burgos in Stellvertretung geschlossene Ehe durch eine
     große Messe in Saint-André zu bestätigen. Ihr wißt, Herr Vater, ich war dabei. Nie kam mir eine Messe länger vor, denn ich
     wußte, Ludwig war morgens mit schweren Kopfschmerzen aufgewacht, die ihn seit dem Abschied von seiner liebsten Schwester quälten.
     So ahnte ich, wie |120| übel er sich bei dieser Zeremonie fühlen mußte, die traditionsgemäß die Lithurgie endlos dehnte und die Vermählten erschöpfte.
     Und richtig, kaum war sie zu Ende, nahm er Urlaub von den beiden Königinnen – der, die Spanien ihm beschert hatte, und seiner
     Mutter, die es so wenig war – und eilte mit großen Schritten in seine Gemächer, wo er zu Héroard mit vor Müdigkeit

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