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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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erstickter
     Stimme sagte, er gehe ohne Essen zu Bett. Sofort legte er sich mit einem großen Seufzer nieder. Aber, ach, kaum lag er eine
     Viertelstunde – und da wir sahen, wie ihm die Lider zufielen, gingen wir hinaus, um ihn in Ruhe zu lassen –, als mit großem
     Getöse der Großkämmerer wie ein Unglücksvogel erschien und nach wer weiß wie vielen Verbeugungen und Kniefällen mit Stentorstimme
     zum König sagte, auf Befehl der Regentin müsse er aufstehen, sich ankleiden, soupieren und nach dem Souper seine Ehe vollziehen.«
    »Mich mutete dieser Befehl«, fuhr ich fort, »wie Heimtücke an, denn der Regentin hätte die übermüdete Miene ihres Sohnes während
     der langen Hochzeitszeremonie auffallen müssen. Bei allen Göttern! Was kam es auf ein oder zwei Tage an? Hatte man ihn bei
     der Wahl der Gemahlin schon nicht gefragt, konnte man ihm nicht wenigstens die Wahl lassen, wann er sie zu seiner Frau machte?
     Erinnerte sich die Regentin nicht mehr, wie verletzt sie in ihrer eigenen Hochzeit von der Hast und Rohheit Henri Quatres
     gewesen war und wie sie am Tag danach heiße Tränen geweint hatte? Und,
milledious,
wie mein Großvater sagt, dachte sie gar nicht an die kleine Königin? Hätte ihr, so erschöpft von der langen Zeremonie und
     dem Gewicht der Prachtkleider und der Krone, nicht auch ein wenig Ruhe nötig getan, bevor sie diese neue Prüfung antrat?«
    »Ich für mein Teil denke«, sagte La Surie, »und erlaubt, daß ich kein Blatt vor den Mund nehme: Die Regentin hatte es sogar
     abgesehen auf dieses Scheitern. Denn es war für Ludwig wiederum eine Demütigung, die sein Selbstvertrauen erschüttern mußte.
     Damit verhinderte sie von vornherein ein gutes Einvernehmen zwischen der kleinen Königin und ihm, das ihrer eigenen Macht
     auf die Dauer bedrohlich werden konnte.«
    »Das ist schiere Spekulation«, sagte ich zu meiner eigenen Überraschung, denn im stillen gab ich La Surie recht.
    »Alle Geschichte ist Spekulation«, sagte mein Vater lächelnd. |121| »Denn wer sich allein an die nackten Tatsachen halten wollte, müßte darauf verzichten, je irgend etwas zu begreifen.«
    ***
    Wie dem auch sei, Leser, wortlos erhob sich der arme Junge auf mütterlichen Befehl aus seinem Bett, nahm bleich vor Angst
     und Scham ein paar Bissen zu sich, dann holte ihn die Regentin ab, und er ging hinter Berlinghen mit dem Leuchter her zu den
     Gemächern der kleinen Königin, als gehe er zur Hinrichtung. Was darauf folgte, kennen Sie. Ebenso den Bericht der Regentin
     hierüber, denn ohne Scheu davor, wie lächerlich und peinlich dies war, gab sie am nächsten Tag ein Kommuniqué heraus – ein
     Dokument der Schamlosigkeit, Dummheit und Taktlosigkeit –, in welchem triumphierend verkündet wurde, der König habe seine
     Ehe zweimal vollzogen. Der ganze Hof verstand: Wäre dieses Dokument wahr, hätte es seiner Publikation nicht bedurft … Hinter
     vorgehaltener Hand oder hinterm Fächer wurde nur gespottet.
    Mein vierzehnjähriger König hüllte sich an den darauffolgenden Tagen in Schweigen und in eine undurchdringliche Miene wie
     nach allen Abstrafungen und Demütigungen, die er seit dem Tod seines Vaters erlitten hatte.
    Hier allerdings muß ich nun eines bekennen: Nachdem er sich im Jahr 1617 von Concini und von der Königinmutter befreit hatte
     und ich ihn so aufgerichtet und hochgemut sah, hegte ich die große Hoffnung, er würde im selben Schwung versuchen, sich bei
     der kleinen Königin zu beweisen.
    Doch Monat für Monat verrann, auch das ganze Jahr 1618, und er ergriff nach dieser Seite hin nicht die mindeste Initiative.
     Ludwig saß eifrig im Kronrat, lieh den Staatssekretären sein Ohr, sowie sie ihn darum ersuchten, empfing ausländische Gesandte,
     ließ seine Soldaten aufmarschieren, ging in die Komödie, ergab sich leidenschaftlich der Jagd und verbrachte viele Abendstunden
     in herzlicher Unterhaltung mit Luynes. Der kleinen Königin gestand er einen täglichen Besuch von fünf Minuten zu. Nie lud
     er sie zum Essen oder zu Reisen ein, und immer mied er ihr Lager.
    Als im ganzen Jahr 1618 also nichts geschah, herrschte in Paris große Aufregung unter bestimmten ausländischen Gesandten, |122| wenn auch im Flüsterton und mit verdeckten Worten.
    Philipp III. fühlte sich durch die beunruhigenden Nachrichten aus Paris in seiner königlichen Ehre, seinem spanischen
pundonor
1
,
und seiner väterlichen Liebe empfindlich gekränkt, denn er hing an seiner Tochter weitaus mehr als Maria

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