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Rosen des Lebens

Rosen des Lebens

Titel: Rosen des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Form eines Hahns.«
    »Ein Hahn? Seid Ihr sicher, daß es kein Adler ist?« scherzte ich.
    »Nein, ein Hahn. Kein Kunstwerk etwa, einfach aus Blech geschnitten, aber doch ein Hahn auf seinen Klauen und mit hohem Kamm
     wie sein Herr.«
    »Den Kamm holen wir ihm herunter«, sagte ich.
    »Sofort?«
    »Nein. Morgen früh.«
    Mehr verriet ich Saint-Clair nicht und auch nicht Louison, die ganz verwundert war, als ich mich früh am nächsten Morgen aus
     ihrem warmen Bette stahl.
    Saint-Clair, Pissebœuf, Poussevent und die sechs Schweizer Arkebusiere erwarteten mich vor den Ställen nur, um in den Sattel
     zu springen, Saint-Clair ritt als Wegweiser vornweg, wir ihm nach im Gänsemarsch und lautlos, denn Poussevent und Pissebœuf
     hatten die Pferdehufe mit Lappen umwickelt.
    Rapinauds Haus – denn das blieb es trotz seines Turms – hatte Türen, Fenster und Fensterläden geschlossen wie eine verschanzte
     Festung. Doch was scherte es mich, ich wollte ja nicht die Haustür sprengen. Beim wütenden Gebell von drei, vier Wachhunden
     öffnete sich auch nicht die kleinste Luke. Aber die Hunde waren schlecht dressiert, sie stürzten sich auf |154| die Fleischknochen, die Poussevent ihnen hinwarf und arbeiteten so stark mit den Kiefern, daß sie an kein Lautgeben mehr dachten.
    »Kinder«, sagte ich, als die Reiter im Kreis um mich versammelt waren, »unser Ziel ist, Gott sei Dank, kein menschliches.
     Es ist der Wetterhahn. Durchlöchert ihm die Klauen, bis er fällt. Jeder schießt der Reihe nach einmal, auf festem Boden stehend,
     sein Nachbar hält das Pferd. Wer das Ziel trifft, erhält von mir einen Krug meines besten Weins, und wer es zu Fall bringt,
     ein Goldstück. Die Schützen treten nach dem Alphabet an, damit es keinen Streit gibt.«
    Aber hierin lag die Schwierigkeit, die Schweizer lehnten eine alphabetische Folge ab, unter ihnen galt eine Rangordnung, die
     sie geachtet wissen wollten. Also überließ ich die Entscheidung ihnen, und das dauerte, denn sie verhandelten in ihrem mit
     der heimatlichen Mundart versetzten Deutsch. Endlich war die Frage geregelt, und das Schießen begann. Poussevent und Pissebœuf
     stellten sich freiwillig als letzte an, vermutlich aber mehr aus Berechnung denn aus Großmut, denn die Klauen würden schon
     reichlich durchlöchert sein, wenn sie an die Reihe kämen.
    Beim ersten Schuß ging im Oberstock des Hauses ein Fenster spaltweit auf, doch ohne daß ein Kopf sich zeigte, und ging sogleich
     wieder zu, und nun erduldete das Haus regungslos das prasselnde Arkebusenfeuer.
    Alle sechs Schweizer trafen, der sechste errang die Palme – und das Goldstück –, der Hahn kippte, schlug mit einem Höllenlärm
     auf das Schieferdach und sauste zu Boden. »Was ein Jammer!« sagte Poussevent, »zerballert, wie der war, hätt ich ihn mit geschlossenen
     Augen runtergeholt.« Pissebœuf sagte nichts, sondern hob die Trophäe auf und übergab sie mir.
    Wir machten kehrt, wie wir gekommen waren, ohne den geringsten Lärm. Nach dem Mittagessen begab ich mich nach Montfort und
     ersuchte die Justizbeamten, einen nach dem anderen unter vier Augen, sich unzuständig zu erklären, sollte Rapinaud gegen meinen
     Beschluß Einspruch erheben.
    Doch ohne die Achttagefrist abzuwarten, die ich ihm eingeräumt hatte, packte Rapinaud seine Siebensachen, Möbel, Karren, Getreide,
     Wein, Getier und Gesinde. Er besaß eine Mühle in Le Perche, dorthin zog er. Ich kaufte seinen Hof für fünfzehntausend |155| Livres, und das war ein mäßiger Preis für einen bedeutenden Zuwachs meines Besitzes.
    Im Dorf waren sich alle einig, daß Rapinaud ein großer Raffzahn war, unerbittlich und verschlagen. Aber wenn ich über die
     ganze Affäre nachsann, konnte ich mich nur wundern, daß dieser Fuchs in seinem Groll auf eine solche Dummheit verfallen war:
     meinen Wald anzuzünden. Er hatte wenig dabei gewonnen und alles verloren.
    Wie ich aus dem Munde von Séraphin hörte, der ihn vor seinem Aufbruch sprach, hatte die Zerstörung der Wetterfahne seine abergläubische
     Seele mit Furcht und Schrecken erfüllt: Sie erschien ihm als böses Vorzeichen seines eigenen Falls, und er räumte schnell
     das Feld.
    Die Geschichte beschäftigte meine Dörfler heftig, und sie spannen sie des abends zu epischer Breite aus, obwohl keiner von
     ihnen dabeigewesen war.
    Auf Rapinauds Fortgang folgte der von Mougeot, doch machte ich, als er seine Hofstelle verkaufen mußte, keinen Gebrauch von
     meinem Vorkaufsrecht, zum ersten,

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