Rosen des Lebens
Mitglied, und obwohl ich meine Ansicht frei äußern durfte, hatte ich doch keine Stimme. Ich erhob mich also von meinem
Schemel und machte Don Fernando eine tiefe Verbeugung, die er erwiderte, indem er mit Grandezza halb den Hut hob. Damit grüßte
mich Don Fernando entsprechend der Bedeutung, die mir bei diesem Gespräch zukam. Wenn ich ihn später bei Hofe traf, machte
er zwischen uns keinen anderen Unterschied als den üblichen zwischen Graf und Herzog, auch wenn dieser Herzog ein spanischer
Grande war.
Nachdem die Vorspiele eine reichliche Viertelstunde gedauert hatten, kam Monsieur de Bonneuil trotzdem noch nicht zur Sache,
sondern verbreitete sich lächelnd über ein Problem, das er selbst als beiläufiges darstellte: Elisabeth, der Schwester des
französischen Königs, Prinzessin von Asturien und künftigen Königin von Spanien, waren von ihren Dueñas ihre Schmuckstücke
eingezogen worden.
»Mein Königlicher Herr weiß nicht«, fuhr Monsieur de Bonneuil mit liebenswürdigem Lächeln fort, »welcher kleinen Missetaten
die Prinzessin, die ja erst sechzehn Jahre alt ist, sich schuldig gemacht haben könnte, um eine solche Bestrafung zu verdienen.
Doch möchte er seinen Cousin, den König von Spanien, darauf hinweisen, daß diese Schmuckstücke Geschenke teils ihrer Mutter,
Maria von Medici, zur Hochzeit ihrer Tochter |160| und teils der französischen Krone sind, die der König seiner geliebten Schwester bei derselben Gelegenheit überreichte. Mein
Königlicher Herr ist der Meinung, daß die Dueñas, wenn sie es für notwendig erachten, über das Tragen dieser Schmuckstücke
entsprechend den am spanischen Hof geltenden Regeln verfügen mögen, aber daß sie nicht berechtigt sind, diese einzuziehen,
und sei es auch nur für kurze Dauer.«
Während Don Fernando dieser Rede mit scharfer Aufmerksamkeit lauschte, erlaubte ich mir einige verstohlene Blicke auf ihn.
Sein langes Gesicht mit der schmalen Nase sah hochmütig aus. Doch wurde dieser Ausdruck durch schöne schwarze Augen gemildert,
die mir geistvoller zu leuchten schienen als die von Monteleone.
»Exzellenz«, sagte Don Fernando endlich in korrektem Französisch, wenn auch ein wenig zögernd, »ich bin nicht sicher, Eure
Worte ganz verstanden zu haben. Der Graf von Orbieu möge sie mir freundlichst übersetzen.«
Ich bemühte mich, in meine Übersetzung nun den gleichen sanft scherzenden Ton zu legen, den Monsieur de Bonneuil angeschlagen
hatte. In Wahrheit bezweifelte ich, daß Don Fernando ihn nicht verstanden hatte. Wenn er sich seine Rede wiederholen ließ,
so nur, um sich zu vergewissern, daß hinter ihrer Beiläufigkeit nicht irgendeine Falle lauere. Offenbar hatte man ihm am Hof
zu Madrid eingeschärft, sehr auf der Hut zu sein vor den Franzosen, einem unendlich geriebenen und verdorbenen Volk, dessen
verfeinerte Höflichkeit voll teuflischer Tücken stecke.
»Exzellenz«, sagte Don Fernando, als ich geendet hatte, »ich werde dies meinem Königlichen Herrn übermitteln.«
Und erheitert, lächelte er nun seinerseits und setzte hinzu: »Ich bin mir sicher, daß mein Königlicher Herr die liebenswürdige
Prinzessin von Asturien des Anblicks ihrer Schmuckstücke nicht berauben will.«
Dennoch vermerkte ich, daß das Zugeständnis vorsichtig war. Don Fernando hatte gesagt »des Anblicks«. Von »freier Verfügung«
war keine Rede. Darf ich hinzusetzen, schöne Leserin, daß ich aber bis zum heutigen Tage nicht weiß, was die Etikette am Hof
Philipps III. von Spanien in bezug auf das Tragen von Schmuckstücken seitens der königlichen Hoheiten befahl oder verbot.
|161| »Hinsichtlich der Prinzessin«, fuhr Monsieur de Bonneuil fort, »hat mein Königlicher Herr eine höchst folgenreiche Entscheidung
getroffen, die ich Euch mitteilen möchte. Er meint, daß sein Gesandter in Madrid keinen freien Zutritt mehr zu den Gemächern
der Prinzessin von Asturien haben soll, sondern daß er sich den diplomatischen Bräuchen des spanischen Hofes bequeme, bevor
er sie besucht.«
Nun malte sich lebhafte Verblüffung auf dem langen Gesicht Don Fernandos, und von hier an bat er mich, alles zu verdolmetschen.
Das tat ich Wort für Wort, mit der größten Gewissenhaftigkeit, denn ich hatte bemerkt, daß an der Rede von Monsieur de Bonneuil
diesmal nichts Beiläufiges war. Und während ich übersetzte, beobachtete ich, wie Don Fernando vor Besorgnis und Verärgerung
errötete.
»Exzellenz«, sagte er
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