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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Fernau
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das vor sich gegangen ist, wissen wir leider nicht, und ich bitte Sie, sich bei dieser Frage auch nicht lange aufzuhalten, wenn Sie die Ereignisse nicht verpassen wollen: Peisistratos ist schon wieder da!
    Wie das vor sich gegangen ist, wissen wir: Drei Jahre — können wir vermuten — waren die Alkmaioniden nun schon wieder aus der Emigration zurück, herrischer denn je, ungeschickter und unbeliebter denn je, und das Volk, das Peisistratos unter Gelächter hatte ziehen lassen, bildete wieder finster Spalier, wenn der regierende Archon Megakies, Senior des Hauses der Alkmaioniden, durch die Straßen ging. Da faßte Megakies in einer wahrhaft abenteuerlichen Regung den Entschluß, dem Peisistratos die Hand seiner Tochter anzubieten. Der kleine Probetyrann sollte zurückkehren und für ihn das tun, was sich ein noch halb verfemter Alkmaio-nide nicht eigenhändig erlauben durfte: die Zügel hart anziehen.
    Der verwegene Plan gelang; Peisistratos erschien! Das Volk staute sich wieder einmal in den Straßen und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Jetzt würde man also eine Tyrannis erleben. Aber, meine Damen und Herren, weit gefehlt — Peisistratos ist schon wieder draußen!
    Sie empfinden es allmählich als eine Komödie; das ist verständlich. Die Philologen würden Ihnen allerdings heftig widersprechen, ich aber neige zu der Ansicht, daß Sie fast das Richtige getroffen haben. Ganz bestimmt haben die Griechen das Spektakel dieser Jahre trotz des Ernstes vorzüglich genossen. Zwar war es eine hochpolitische Sache, freilich, freilich, und es gab Bevölkerungsschichten wie die Arbeiter, die Bauern und die Kapitalisten, für die es fast unerläßlich war, sich auf die eine oder die andere Seite zu stellen, aber änderte das etwas daran, daß es ein herrliches Schauspiel war?
    Was die Athener daran so fesselte, war etwas ganz Bestimmtes, etwas Besonderes, geradezu eine Delikatesse für den frühgriechischen Geist: der Alleingang eines Individuums. Das entzückte diese Anbeter des Individualismus auf das höchste. Ein einzelner brach durch, ein Geist, ein Herz!
    Woran Peisistratos’ zweiter Versuch scheiterte, ist unbekannt. Sicher ist, daß sich der alte Megakies in ihm verrechnet hatte, er fand kein gehorsames Werkzeug und mußte ihn sofort wieder loswerden.
    Zum zweitenmal zog Peisistratos nun in die Fremde. Athen hatte immer noch nicht genau erfahren, wie er die Sache mit der Tyrannis gemacht hätte. Nicht einmal seine Parteigänger — es gab so etwas wie eine Peisistratos-Bewegung — hätten zu sagen vermocht, worin die politische Konzeption einer Tyrannis eigentlich bestand. Wenn man sich fragend nach Sikyon oder Korinth umblickte — seltsam, ihre Vorzüge waren verschieden, ihre Fehler verschieden; hier bekämpfte man dies, dort jenes, hier vertrieb man die Fremden, dort holte man sie zurück, hier schloß man Bündnisse, dort löste man die bestehenden auf, hier baute man Tempel, dort baute man Schiffe, hier unterstützte man die Bauern, dort die Handwerker, hier lehrte man auf der Schule Geschichte, dort verbot man sie; gemeinsam hatten sie nur eins: Den Einen, den Mann im Hintergrund. Er steuerte bald so, bald so, er zog bald hier an, bald ließ er dort wieder locker. War das das Geheimnis einer Tyrannis? Die Alkmaioniden ließen nie locker.
    Inzwischen tat Peisistratos das Vernünftigste, was er tun konnte: Er wurde sehr reich. Er war nach Thrakien gegangen, hatte Bergwerke gepachtet und riesige Mengen Silber gefunden. Der nächste Schritt war, das Silber in Drachmen zu prägen. Man munkelte, daß er der Einfachheit halber gleich das athenische Hoheitszeichen, die Eule, aufdrücken ließ. Sicherlich munkelte man richtig: Die Eule ist ein sehr netter Vogel, und die Münzen hatten das richtige Gewicht.
    Dann pirschte sich Peisistratos erneut langsam an Attika heran. Je weiter er vordrang, desto sicherer wurden die Nachrichten, daß in Athen Unruhen herrschten. Der große Augenblick war da. Peisistratos hob die versilberte Hand — und besaß ein Heer.
    An diesen Vorgang ließe sich eine schöne Mechtation über den Sitz der menschlichen Seele im allgemeinen und der militärischen im besonderen anknüpfen. Aber wir täten zumindest den vielen jungen Adligen und Patriziersöhnen Euböas und Böotiens, die sich Peisistratos anschlossen, unrecht. Sie wußten wirklich, warum sie es taten, und der Grund war höchst einfach: Sparta versuchte, seine Herrschaft über ganz Griechenland auszudehnen, hatte bereits

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