Rosen für eine Leiche (German Edition)
Es heißt, du wärst mit einer
jungen Dame im Riesenrad gesessen, während unten der Mann erschossen wurde. Du
sollst dann den Mörder vernommen haben. Und der sei vergiftet worden. Kannst du
uns darüber etwas erzählen?«
Das Gewitter vom Morgen war wiedergekommen und hörte nicht auf.
Immer wieder lief der Donner durchs Tal, und der Regen trommelte gegen die
Fenster. Echos überschlugen sich und knallten über dem Haus zusammen. Herr
Huber, der ursprünglich neben dem Pfarrer gesessen hatte, weil der ihn mit
Erdnüssen fütterte, verzog sich unter den Tisch. Ich tastete mit dem Fuß nach
ihm und merkte, wie er zitterte.
Ich wollte mich nicht outen. Aber ein bisschen sollten meine Kumpels
schon davon profitieren, dass ich mitten in der Sache steckte.
»Einmal wirklich nur unter uns Pfarrerstöchtern gesprochen …«
Rudi warf mir einen entsetzt hilflosen Blick zu. Er ächzte
gotterbärmlich.
»… bin ich felsenfest davon überzeugt, dass Herbert Priegel der
Täter vom Herbstfest ist«, fuhr ich fort. »Die Polizei hat nur Schwierigkeiten
mit der Beweisführung. Was das Gerücht angeht, Karl, bin ich sicher, dass
Priegel weder den Löffel abgegeben noch ins Gras gebissen noch den Arsch
zugekniffen hat.«
Ich schaute Rudi über die Schulter. Ein weißes DIN-A 4-Blatt
lag vor ihm, er hatte vier senkrechte Linien gezogen und notierte in jeder
Spalte Gewinn und Verlust jedes Teilnehmers. Seine Schrift war winzig und
gestochen scharf. Rudi war für den Job ausgewählt worden, weil man
üblicherweise von einem Pfarrer Ehrlichkeit erwarten darf.
An diesem Abend hatte ich die besten Karten.
»Heut habt ihr mich ja nicht so abscheulich ausgenommen wie
neulich«, sagte ich.
Uwe, der Hanseat, musterte mich mit einer Miene wie der Himmel über
Sylt an einem schönen Tag. »Hab ich euch eigentlich schon von meinem letzten
Gesundheitscheck berichtet?«, sagte er und begann sein Hemd hochzuziehen. Uwe
bevorzugte Themen wie seine Gesundheit, mögliche Krankheiten und die jeweils
letzte Kreuzfahrt. Ich fragte mich, wie seine Frau das auf Dauer ertragen
konnte.
Bevor er anfing, ging Karl energisch dazwischen. »Geh, hör auf mit
dem Schmarrn«, sagte er laut. »Deine ständige Sorge um die Gesundheit ist auch
eine Krankheit.«
Uwe war nicht beleidigt. Wir teilten schließlich alle aus. Er wandte
sich an mich.
»Was war eigentlich mit deiner Nachbarin kürzlich, mit der Frau S-teiner?
Du sollst sie aufges-pießt haben?«
Ein schweres Wort leicht ausges-prochen.
»Unsinn«, fuhr Rudi dazwischen und blies Luft durch die Backen. »Sie
ist in eines von deine Gartengerätle reingetreten, nicht wahr, Joe?«
»So ähnlich«, sagte ich. Ich schilderte ihnen das Unglück,
verschwieg jedoch die geklauten David-Austin-Rosen.
Karl versuchte sich auf seinem Stuhl emporzurecken. Doch der
verspannte Nacken machte Schwierigkeiten. Sicher wäre er jetzt lieber zehn
Kilometer in die von ihm verehrte Ägäis hinausgeschwommen. Karl war der
raffinierteste Skatspieler von uns vieren. In dieser Runde setzte er aus.
»Was ist eigentlich mit dem Sohn der Steinerin los?«, fragte er.
Wir anderen konzentrierten uns auf unsere Karten, sodass unser
Pionierkommandeur sich noch einmal bemerkbar machen musste. »Der junge Steiner
hat es bei mir in der Kaserne bis zum Leutnant gebracht.«
Ich blickte auf.
»Z 2«,
erklärte Karl. »Er wollte ursprünglich nur seine Wehrpflicht ableisten, hat
dann aber auf zwei Jahre verlängert. Seit dieser Zeit kennt er mich, der,
der …« Hilfesuchend sah er mich an.
»Harry«, half ich aus.
»Harry, genau. Harry Steiner. Er hat mich immer freundlich gegrüßt,
hat mir aus dem Auto zugewinkt oder gehupt, wenn er vorbeifuhr. Am letzten
Wochenende bin ich ihm begegnet, da hab ich ihn kaum wiedererkannt. Zuerst hat
er mich finster angeblickt, danach gleich weggeschaut. Beide Hände in den
Taschen. Kein Gruß, kein Garnichts. Er war einer unserer Besten gewesen damals,
höflich, hilfsbereit. Hat freiwillig den Ranger-Lehrgang gemacht, so ziemlich
das Härteste, was es gibt. Hat sich freiwillig zu einem unserer Einsätze im
Kosovo gemeldet, sich nichts zuschulden kommen lassen.«
Ich hatte bisher nur mit halbem Ohr gelauscht. Nun war unser Spiel
zu Ende.
»Na ja. Wird wohl einen schlechten Tag gehabt haben, als er mir
begegnet ist«, sagte Karl. »Vielleicht mal wieder in Geldnot, wie schon oft.«
»Was, Geldnot?«, fragte ich.
Mein Interesse an Harry Steiner wuchs. Mich hatte er ja auch
anpumpen
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