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Rosen für eine Leiche (German Edition)

Rosen für eine Leiche (German Edition)

Titel: Rosen für eine Leiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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siehst«, endete er. »Ich
hab ein paar Mal versucht, sie anzurufen. Ohne Erfolg. Ich liebe das Kind.«
    Ob er mit diesem Gefühl allein war, fragte ich mich. Und fasste
einen Entschluss.
    Ich sprang unter die Dusche und ließ das heiße Wasser
laufen, bis die Haut krebsrot war. Dann spülte ich eiskalt nach. Herr Huber
tänzelte vor mir herum und verbiss sich in meine Fersen, als ich mich in
Cordhose, Wollhemd und Sakko warf.
    »Nein, Herr Huber, du bleibst hier«, sagte ich, strich über seinen
Kopf und schaltete »Klassik Radio« für ihn ein.
    Ich holte den Porsche und äugte aus dem Fenster nach oben zu Frau
Steiners Wohnung. Die Lichter gingen kurz an, dann wieder aus.
    Ich brauchte keine zwanzig Minuten, um zu Chilis Wohnung zu kommen.
Sie stand in einem rosa Frotteebademantel unter der Tür. Ihr Haar fiel in
weichen Wellen über Ohr und Schulter und roch frisch gewaschen. Neugierig, aber
kein bisschen überrascht sah sie mich aus ihren zweifarbigen Mandelaugen an.
Immer wieder war ich von der samtenen Weichheit ihre Teints fasziniert.
    »Hopperla. Kommst du direkt von deinem Skatabend?«, fragte sie mit
ihrer dunklen Stimme. »Komm rein.«
    Sie zog mich an der Hand in ihr geräumiges Wohnzimmer. An der Decke
prangte ein Leuchter aus rauchfarbenem Glas. Die Möbel rochen nach Lack, alles
war neu, sauber und ordentlich. In der Ecke lief ein Film im Fernsehen.
    »Kaffee?«, fragte sie.
    »Nein, lieber ein Bier«, sagte ich.
    In gespieltem Entsetzen schüttelte sie den Kopf, wandte sich aber
der Küche zu, die so blitzblank war, dass sie aus einer Werbung hätte stammen
können. Ich sah Chili nach.
    Angeblich hatte sie diesen federnden Gang von ihren mexikanischen
Vorfahren geerbt. Die Theorie ihres Vaters, sie stammten von einem spanischen
Seemann ab, teilte sie nicht. Sie glaubte an Mexikaner. Während ich bei meiner
Lola regelmäßig um die Harmonie des nächsten Tages bangen musste, war Chili
absolut berechenbar. Stets guter Laune, unbeschwert, einfühlsam, beliebt.
Niemals zickte sie. Dabei war sie nicht etwa ein Leichtgewicht. Nein, sie war
neugierig, schnell im Denken und ging den Sachen, die sie interessierten, auf
den Grund. Sehr bald war mir aufgefallen, dass sich dahinter eine Eigenschaft
verbarg, die ihr den Respekt aller Kollegen verschafft hatte: Wachsamkeit. Sie
registrierte selbst im Alltag jede Kleinigkeit und prägte sie sich ein. Auch
die Preise für Brötchen, Schuhe oder Champagner. Sie war ein Champion im
Vergleichen und Feilschen. »Wahrscheinlich auch von meiner mexikanischen
Urgroßmutter geerbt«, rechtfertigte sie sich. »Genau wie mein Haar.«
    Mit einem gläsernen Henkelkrug, in dem sich eine herrliche
Schaumkrone gebildet hatte, kam sie kauend zurück. Als sie sich mir gegenüber
in einen von vier kubistischen Sesseln setzte, klaffte über der Brust und an
den Schenkeln der Mantel auseinander. Darunter war sie nackt.
    Chili bemerkte, wie mein Blick sie streifte, tat aber nichts
dagegen.
    »Ich soll dich von deinem Vater grüßen«, versuchte ich die Situation
zu überspielen. Mehr sagte ich nicht.
    Sie lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. Der Flausch des
Mantels umspielte die Innenseite ihrer Schenkel. Ihr Lächeln war das eines
Schulkinds kurz nach der Erfindung eines neuen Streichs. Wie in einem Film sah
ich sie aufstehen und verfolgte, wie sie sich auf die Couch setzte und mit der
flachen Hand auf den Sitz neben sich klopfte.
    Wie ferngesteuert erhob ich mich langsam und schlafwandelte zu ihr
hin.
    Chili nahm die Augen nicht von mir.
    Ich hob mit den Fingerspitzen ihr Kinn an, drückte es sachte höher
und noch höher, bis wir auf gleicher Augenhöhe waren. Mir kam es vor, als
bestünde ihr Gesicht aus dunklen Linien, verwaschenen, hellen Flächen und
geometrischen Figuren. Ihr Terrakottahaar wie ein Vorhang vor einer edlen
Skulptur. Ich löste meine Hand, und sie glitt vom Kinn bis zum Hals hinab. Die
Berührung war so kurz und so leicht, als wäre es ein Haar, das über ihre Haut
geweht war.
    Ihr Kuss war ganz kunstlos, zunächst jedenfalls, und barst doch vor
Lebenskraft. Nach einer langen Weile erkundete ihre Zungenspitze meinen Mund.
Anfangs zögernd, dann leidenschaftlich aufreizend und provozierend.
    Wieder stand ich am Rand einer Katastrophe. Ich fühlte mich immer
noch an Lola gebunden, Chili war mir in gewisser Weise anvertraut wie ein
Patenkind. Aber nun – hatte ich sie nicht schon begehrt, seit sie
erwachsen geworden war? Meine Zunge drang ein in die

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