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Rosen für eine Leiche (German Edition)

Rosen für eine Leiche (German Edition)

Titel: Rosen für eine Leiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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mitgenommen aus. »Lass es, Ottakring«, sagte ich unhörbar. »Hör auf,
den knallharten Typen rauszukehren.«
    Liebermann saß mit zwei anderen, die ich nicht kannte, an
seinem Stammtisch am Fenster. Als er Chili und mich erspähte, blickte er uns
mit der belustigten Überlegenheit eines sizilianischen Mafiabosses und der
souveränen Gelassenheit des gefeierten Opernstars entgegen. Er musste
blitzschnell begriffen haben, dass wir seinetwegen hier waren.
    »Tach, ihr zwei«, rief er uns fröhlich zu.
    Alles grün bis oben hin, echt geil, fuhr es mir durch den Kopf. Und
auf dem Kopf das abgefahrene grüne Piece. Die Beschreibung des Tätowierers
passte hundertpro. Sitzpisser.
    Wir baten Liebermann in einen Nebenraum. Er bot mir eine Zigarre an.
Ich nahm sie.
    Chili stellte die Fragen. Ich hatte ihr während der Fahrt alles
berichtet, was ich in den letzten zwölf Stunden erfahren hatte.
    »Erzählen Sie uns doch bitte etwas mehr über Ihren Sohn, Herr
Liebermann«, begann sie.
    »Über Georg?«, fragte er und lehnte sich zurück. »Was ist mit ihm?«
    »Nun ja. Er läuft immerhin noch unter Bewährung wegen
Drogenhandels.«
    Liebermann zuckte die Achseln. »Ja freilich. War mir schon klar,
dass Sie das rausfinden werden. Aber was soll’s? Ermitteln Sie in Sachen
Drogen?« Er streifte mich verstohlen mit einem Blick.
    »Georg Liebermann«, sagte Chili, und sie sprach den Namen sehr
betont aus, »Georg, das ist doch Ihr leiblicher Sohn?«
    Liebermann machte zwei hastige Züge an der Zigarre.
    Hinter dem Zigarrennebel merkte ich, wie sich urplötzlich etwas in
Liebermann veränderte. Er strich mit der Hand über den Holztisch, räusperte
sich und vermied es, uns anzusehen. Das Holz der Tischplatte war rissig und roh
unter dem farblosen Lack.
    »Haben Sie einen Sohn, Ottakring?«, fragte er schleppend. Seine
Stimme war belegt.
    »Nein«, sagte ich bloß.
    »Dann verstehen Sie das auch nicht. Ich hab ihn großgezogen. Von
Beginn an hab ich ihn großgezogen. Er ist mein Fleisch und Blut. Er ist so
etwas wie ein von mir signiertes Unikat. Was ich mein, ist: Jeden Kratzer, jede
abgeschlagene Ecke, jede Delle hat er von mir, da war ich dran beteiligt. Ja,
der Georg ist mein Sohn.«
    Das klang wie ein Geständnis. Ich hielt es nicht mehr aus.
    »Es war Ihr Kahn, Liebermann, in dem die Toten lagen.«
    Ich bemühte mich, sachlich zu bleiben. Trotzdem: Meine Spezialität
im Verhör war die Provokation. Chili sollte ruhig etwas davon mitkriegen.
    »Hat Georg sie umgebracht?« Meine Worte mussten knallen wie Schüsse.
»Hat Ihr Sohn Giorgio Bellini und Helen Esterding erschossen?«
    Chili sah mich erschrocken an.
    Mit einem Ruck schob Liebermann den Tisch zurück und sprang auf.
»Sind Sie wahnsinnig?«, brüllte er und sah mit verzerrtem Gesicht auf mich
herunter.
    Jede Überlegenheit war von ihm abgefallen.
    »Sie verdächtigen meinen Sohn des Mordes? Und wagen es, mir das
mitten ins Gesicht zu sagen?«
    Die brennende Zigarre war ihm aus dem Mund gefallen. Er wischte sie vom
Tisch.
    »Mann, Sie haben doch keinen einzigen Beweis für so eine Behauptung!
Ich sag nichts mehr ohne Anwalt, Sie Scheißkerl!«
    Ein herumstehender Stuhl schlitterte nach Liebermanns Tritt über den
Fußboden.
    Ich nahm’s gelassen. Ich stand auf und befand mich auf Augenhöhe mit
ihm.
    »Sie waren mit Helen Esterding in München«, sagte ich. »Sie waren
dabei, als sie sich den Hintern hat tätowieren lassen. Sie müssen sie gut
gekannt haben, Liebermann, die Frau, die nachher tot in Ihrem Kahn angetrieben
wurde …«
    Wie auf Kommando ging Liebermann auf mich los.
    Chili wollte sich dazwischendrängen, doch mit einer Kraft, die ich
nie bei ihm vermutet hätte, schob Liebermann sie zur Seite.
    Ich war stärker. Ich packte ihn an der Schulter, drehte mich mit ihm
im Kreis und schleuderte ihn zurück auf seinen Stuhl. Er prallte gegen die
Lehne, kippte nach hinten weg und auf den Boden. Sein grüner Hut war gegen das
Fenster geflogen, kreiselte auf der Krempe übers Sims und tropfte zögernd hinab
auf Liebermanns breite Brust.
    Liebermann keuchte. Er war kreidebleich. Die Haare standen struppig
nach oben weg. Der Mund war weit geöffnet, rasselnde Geräusche kamen aus seiner
Kehle. Er blickte schräg zu mir herauf, ohne Vorwurf, eher fassungslos. Ich
hörte ihn etwas murmeln, als ich mich hinunterbeugte, um ihn aufzurichten.
    »Wieso?«, flüsterte er röchelnd. »Georg doch nicht. Doch nicht mein
Georg.«
    Im Augenwinkel beobachtete ich Chili. Sie

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