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Rosen für eine Leiche (German Edition)

Rosen für eine Leiche (German Edition)

Titel: Rosen für eine Leiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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drängte sich an mir und
dem liegenden Liebermann vorbei und bückte sich. Sie pflückte den grünen Filzhut
von Liebermanns Brust. Mit der anderen Hand pickte sie noch etwas von den
Holzdielen. Es war ein Foto, das auf der Bildseite lag. Mit zwei Fingern, als
wolle sie es nicht knicken, drehte sie die Fotografie um. Ihr Blick blieb
einige Augenblicke daran hängen, dann wanderte er langsam zu mir. Ihre schmalen
Augen sahen mich unverhohlen an. Langsam hob sie den Arm und drehte das Foto
mit der Bildseite zu mir.
    Lola.
    Es war das Foto aus unserem Capriurlaub. Ich hatte es vor Tagen
schon aus dem Rahmen genommen und eingesteckt. Es zeigte Lola, wie sie am Pier
saß und mich verliebt anlachte. Es musste mir im Kampf aus der Brusttasche
gerutscht sein.
    Ich spürte, wie Röte mein Gesicht überzog, während Chilis Mundwinkel
sich zu einem verkorksten Lächeln verzog.
    »Sie fehlt dir immer noch?«, sagte sie.
    »Grüß Gott, Herr Ottelkring.«
    Frau Steiner schien auf mich gewartet zu haben. Eine Hand steckte
tief in der Tasche ihres braunen Mantels, mit der anderen nestelte sie am
Briefkasten herum. Auf dem Kopf hatte sie einen runden Hut von undefinierbarer
Farbe. Keine Schürze, keine Strickjacke, keine Gießkanne.
    Ich hatte Chili zu Hause abgesetzt und war auf dem schnellsten Weg
zu mir gefahren. Mein Gewissen plagte mich, weil ich Herrn Huber wieder so lang
allein gelassen hatte, und ich wollte mich auf das morgige Verhör
konzentrieren.
    »Ihre Frage nach dem Harry heut früh«, begann die Steinerin, als ich
eilig auf die Haustür zusteuerte. »Freilich ist er im Staatsdienst. Ich hab nur
sagen wollen, seit er mit dieser Frau zusammen war, ist er ein ganz anderer
Mensch geworden …«
    Auf dem Absatz drehte ich mich um. Drinnen schimpfte Herr Huber
voller Zorn.
    »Warum«, fragte ich, »was ist mit Harry?« Ich hatte ja schließlich
selber gemerkt, dass der Junge anders geworden war. »Was hat er denn
angestellt?«
    Frau Steiner ging ein paar Schritte, stellte sich vor mich hin und
faltete die Hände.
    »Angestellt …«, sagte sie. »Direkt angestellt hat er nix. Aber
er fing an zu trinken … hat laut geträumt … und seine Kameraden von
der Bundeswehr … Er ist da in was reingeraten, hat sich ausnutzen lassen.
Mich hat er wie eine Putzfrau behandelt, dabei hab ich doch alles für ihn
getan. Und alles wegen dieser Frau.«
    »Welche Frau, um Himmels willen?«, fragte ich. »Wer ist diese Frau,
wie heißt die denn?«
    »Ogottogottogott«, schluchzte die Steinerin, schlug die Hände vors
Gesicht und fing an, hemmungslos zu weinen.
    »Ottakring!«, bellte Scholl ins Telefon. »Was ist das
wieder für ein Scheiß? Wieso überfallen Sie mit der Toledo den Liebermann?
Wieso verständigen Sie mich nicht vorher?« Er hustete. »Wenn ich könnt, würd
ich Ihnen Ihre Pension sperren lassen.«
    »Ich leb in meiner Wohnung!«, blaffte ich. »Nicht in einer Pension.«
    Ich hörte ihn schlucken.
    »Also, was ist jetzt«, sagte Scholl. »Das ist ja interessant, was
Sie der Toledo alles über den Liebermann erzählt haben. Wir werden uns den mal
genauer ansehen. Haben Sie noch mehr Infos?«
    »Absolut«, sagte ich, bloß um ihn zu ärgern. »Aber ich hab nicht die
Absicht, Ihre Selbstmordtheorie aufzuweichen.«
    Er lachte kurz auf. »Vorschlag zur Güte, Ottakring. Ich kümmer mich
um die Bellini-Sache. Komplett. Und Sie halten sich da raus. Komplett. Sie
kümmern sich um Priegel. Morgen um halb vier in Stadelheim. Okay?«

FÜNFZEHN
    Über eines musste ich mir im Klaren sein: Zeit war für
Herbert Priegel wie ein hungriger Hund. Sie hechelte rastlos um ihn herum und
schlabberte den Tag auf wie einen Napf dünner Nudelsuppe. Schon lange schmeckte
Priegel die Stunden und Tage und Wochen nicht mehr, ebenso wenig merkte er, ob
es Nacht war oder Tag. Also würde er versuchen, sich an alles zu erinnern, was
ihm aus seiner Vergangenheit einfiel, damit er ihren würzigen Duft riechen
konnte in dieser leeren Zeit im Kerker. Zum Beispiel an Bettina. Seine Tochter.
    Damit wollte ich ihn ködern.
    Die harten Böden und die kahlen Mauern gaben dem Klang
meiner Schritte einen Hall wie in einem Dom. Dazu kam der ständige
Geräuschhintergrund aus fernen Rufen, schlagenden Türen und dem Klirren von
Stiefelabsätzen auf eisernen Emporen. Durch lange Korridore und über steile,
enge Treppen gelangte ich nach oben zum Verhörraum. Es war ein anderer als beim
letzten Mal. Der Wärter öffnete die Nachbarzelle, von wo aus er uns durch

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