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Rosen für eine Leiche (German Edition)

Rosen für eine Leiche (German Edition)

Titel: Rosen für eine Leiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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Mensch sie sich mehr leisten kann. Und …«
    »Und der FC  Bayern? Wie steht der denn da?«
    Ich kannte auch diese Vorliebe. »Sie haben sich international
verstärkt. Mit Millioneneinkäufen. Eine ausgesprochene Star-Truppe haben sie.
Sie …«
    »Sind Europapokalsieger geworden?«
    »Champions League heißt das heute. Nein, Herr Priegel, in Europa
sind sie nur zweitklassig. Wie der gesamte deutsche Mannschaftsfußball
überhaupt. Die meisten Vereine leben von Sportlern aus Tschechien, dem Libanon,
aus Ghana und Georgien. Die deutschen Spieler pflegen ihre Verletzungen und
ihre Frauen. Damit verdienen sie ihr Geld, klotzig Geld, obwohl sie nicht mal
ihre begonnene Elektriker- oder Mechanikerlehre abgeschlossen haben. Mit
zweiundzwanzig Millionär.«
    Priegel folgte mir mit großen Augen.
    »Doch ein Millionär ist heute nicht mehr reich«, fuhr ich fort. »Diese
jungen Schnösel vergeigen ihr gesamtes Geld mit Autos, Frauen und Telefonieren.
Sie ziehen Handys aus ihren Lackjöppchen und senden eine SMS , die mit ›Hi Andi‹ anfängt und mit
›Tschüssikowski‹ endet. Monatelang züchten sie an einem albernen Designerbart
herum, in ihren Schlafzimmern hängen rote Lampen in Kussform. Zwischendurch
dürfen sie mal in einem dieser Kochkabaretts im Fernsehen auftreten, den
Topfdeckel heben und ›Köchel, köchel‹ sagen oder ›Mjam, mjam‹. Zu mehr reicht
ihr Wortschatz eh nicht.«
    Priegel verschränkte die Arme und legte sein Kinn in eine Hand.
    »Heute gilt die Schaumschlägerei. Geblieben sind uns Deutschen dann
nur mehr die Bundeskegelbahnen, der ins Sofakissen geprügelte Knick und der
Frühstücksabfalleimer. Die gibt’s nach wie vor in unserem Land.«
    Ich merkte deutlich, dass ich Priegel dahin bekam, wohin ich ihn
haben wollte. Er sah aus, als müsste er sich gleich übergeben. Tränen standen
in seinen Augen. Also setzte ich noch eins drauf.
    »Vergangene Woche wurde in Hamburg ein siebenundfünfzigjähriger
Pastor getraut. Er hat seinen Freund, einen achtunddreißigjährigen Studenten,
geheiratet. Als die Trauung zu Ende war, hat er ihn mit einem Klaps auf den Po
verabschiedet.«
    Volltreffer! Herbert Priegel strauchelte. Er schlug die Hände vors
Gesicht. »Einiges bekommt man ja auch hier drinnen von dem mit, wie’s draußen
aussieht. Aber dass es so schlimm ist … Muss ich da raus?«, flüsterte er.
»In diese Welt?«
    »Ja!«, reagierte ich grimmig. »Übermorgen werden Sie frei sein. Dann
müssen Sie raus.«
    Ich machte eine Pause und sah ihm in die Augen.
    »Außer – Sie gestehen mir, dass Sie den Mann am Herbstfest
erschossen haben. Dann dürfen Sie drinbleiben. Das müssen Sie aber jetzt tun.
Jetzt gleich.«
    Ich winkte dem Wärter hinter der Spiegeltür, um einen Schreiber zu
rufen.
    Im selben Augenblick flog die eiserne Eingangstür auf.
    Zwei weibliche Arme umklammerten einen Arm des uniformierten
Wärters, es gab ein kurzes, wortloses Gerangel, ich hörte, wie laut ein- und
ausgeschnauft wurde.
    Ich warf einen vorsichtigen Blick über die Schulter auf Priegel. Er
lehnte immer noch an der Wand und stierte zu Boden. Wahrscheinlich hatte er den
ganzen Jammer in unserm Land noch nicht verdaut. Ich wünschte mir, dass sein
Zustand noch ein wenig andauern würde.
    »Lassen Sie mich zu ihm«, rief eine Stimme aufgeregt.
    Chili! Ihr Gesicht lugte hinter dem breiten Rücken des Wärters
hervor. Ein kleiner Schreck fuhr mir von der Brust in den Magen und blieb eine
Zeit lang dort sitzen.
    Was war mit Chili?
    »Lassen Sie sie los«, rief ich dem Wärter an der Tür zu.
    Ich wusste nicht, was ich zuerst tun sollte. Hier hatte ich Priegel
so weit, dass er sein Todesurteil unterschreiben würde, nur um nicht in die
richtige Welt entlassen zu werden. Und dort erkannte ich, dass Chili dringend
Hilfe brauchte. Ihr Gesicht war weiß und starr, wie verwüstet von einem
heftigen Schmerz.
    »Er ist tot«, sagte Chili leise, nachdem sie sich aus dem Griff des
Wärters gelöst hatte.
    Ich merkte, dass sie Mühe hatte, Luft zu holen.
    »Einfach so. Ich muss zu ihm. Torsten ist tot.«
    Ich beobachtete, wie Chili einen kurzen Blick auf Herbert Priegel
warf. Der Wärter hatte ihm Handschellen angelegt.
    Ich nahm Chilis Kopf in meine Hände und drückte ihre Stirn gegen
meine Stirn.
    »Chili, Chili, Chili«, sagte ich.
    Ebenso schnell, wie sie außer Kontrolle geraten war, wurde sie
wieder ruhig. Ihre Augen waren verquollen, und ich konnte mir denken, wie ihr
Kopf sich anfühlte.
    »Ein Asthmaanfall«,

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