Rosen für eine Leiche (German Edition)
erkennen.
Allmählich krallte sich Liebermanns Botschaft in meinem Hirn fest.
»Festgenommen. Mit welcher Begründung wurde er denn festgenommen?«,
fragte ich. Anscheinend gab es im Rosenheimer Kommissariat niemanden mehr, der
es für nötig hielt, mich auf dem Laufenden zu halten.
»Ich hab ja immer gedacht, der Georg wird seine Bewährung packen.
Und, was eine Sauerei ist: Es waren nicht die Drogisten, die ihn abgeholt
haben. Es waren die Mordler.« Liebermann legte mir eine Hand auf den Unterarm
und äußerte sein Bedauern darüber, dass er beim letzten Mal so heftig geworden
war. Fast hätte er sich noch für den Kopfstoß entschuldigt, den ich ihm
unabsichtlich verpasst hatte.
Als ob das jetzt so wichtig wäre, dachte ich. Trotzdem: Ich mag
Menschen, die nicht nachtragend sind. Eines war mir aber sofort klar: Etwas an
Liebermann und seiner Geschichte stimmte nicht.
»Georg ist oder war drogenabhängig«, sagte ich. »Dafür ist er zur
Bewährung verurteilt. Wenn sie ihn abgeführt haben, kann das nur eines
bedeuten: Die Rosenheimer halten Ihren Georg für einen Mörder. Für einen
Doppelmörder, Liebermann! Das kann ich nachvollziehen, möchte Ihnen aber aus
alter Freundschaft helfen. Haben Sie denn wenigstens eine Idee, wie Sie den
Kopf Ihres Sohnes aus der Schlinge ziehen? Sie befinden sich doch selbst
mittendrin in dem ganzen Schlamassel, Herrgott noch mal.«
In mir hatte sich seit dem Besuch bei Ava Sorolla ein Gefühl der
Gewissheit breitgemacht. Ich war mir nun absolut sicher, dass es sich im
Bellini-Fall nicht um Selbstmord handelte. Es war ein getarnter Mord, der
inszeniert war wie ein Selbstmord. War Georg Liebermann der Mörder der beiden?
Und welches Motiv sollte er haben?
Dessen Vater saß mir mit geschlossenen Augen gegenüber. Er hatte die
Ellbogen auf die Tischplatte gestützt und die Hände gefaltet. Schmerz lag in
seiner Miene.
»Was glauben Sie denn, Ottakring? Warum stellen Sie mir solche
Fragen?« Dann öffnete er die Augen wieder.
»Weil ich überzeugt bin, dass Sie den Mörder kennen«, sagte ich.
»Eine Zeit lang hab ich sogar Sie selber verdächtigt. Dass Sie beteiligt sind
oder zumindest Kenntnis haben, schließ ich immer noch nicht aus.
Mitwisserschaft ist wie Beihilfe, wissen Sie. Auch darauf steht Haft.«
Neben Liebermanns Kopf spiegelte sich schon seit Minuten eine
Gestalt im Fenster. Der Mann hielt die Hände in den Hosentaschen und schaute zu
uns her. Eigenartigerweise musste ich sofort an Priegel denken.
»Aber es war doch Selbstmord«, sagte Liebermann mit dünner Stimme.
Aus seinem Mund klang es wie »Selbstmochd«.
»Schmarrn«, wollte ich gerade sagen, da trat die Gestalt auf uns zu.
Meine Schultern verkrampften sich. Ich fuhr herum, darauf vorbereitet, mich
sofort fallen zu lassen und Liebermann mit zu Boden zu reißen.
Es war Scholl. Er trat näher. Er sprach ohne Hast. Und er sprach zu
mir.
»Ich denke, wir hatten vereinbart, dass Sie sich um Priegel kümmern
und die Finger von Bellini lassen? Und von Ihnen soll er sich auch fernhalten,
Herr Liebermann.« Er hüstelte. »Ich hab unfreiwillig Ihr Gespräch mitgehört.«
»Sie können ganz schön kindisch sein, Herr Scholl«, sagte ich. »Sie
verhaften den jungen Liebermann und erwähnen es mit keinem Wort. Und nun
beschweren Sie sich über eine nicht eingehaltene Vereinbarung. Meinetwegen.
Hocken Sie sich her.«
Ich schob ihm einen leeren Stuhl hin. Zögernd nahm er Platz.
Nach einer Weile sagte er: »Ja. Georg Liebermann sitzt wieder in U-Haft.
Sein Vater und ich, wir haben uns ausführlich darüber und über den Bellini-Fall
unterhalten. Er hat mir alles erzählt. Nicht wahr, Herr Liebermann?«
Der nickte.
»Alles?«, fragte ich. Ich hätte gern gewusst, ob auch der Besuch
Liebermanns bei dem Tätowierer in München zur Sprache gekommen war. Doch ich
fragte nicht nach. Ich sollte mich ja raushalten.
»Alles«, sagte Scholl. »Also, was wollen Sie hier, Ottakring?«
Ich war schon im Gehen, da kam Pauli angetuckert. »Hey,
ich war eh in der Gegend. Und weil ich ja wusste …«
Dass er aber ausgerechnet jetzt auftauchte, während Scholl noch
herumsaß, war mir unangenehm. Scholl hatte keine blasse Ahnung von Paulis
Existenz und den Zusammenhängen. Ich wollte ihm meinen V-Mann nicht auf dem
Silbertablett präsentieren.
Pauli begriff. Er grinste und strich sich über die Glatze.
Ich nahm ihn am Arm und rief in den Gastraum: »Mein Spezl und ich
verziehen uns kurz nach draußen, okay?«
Scholl blieb
Weitere Kostenlose Bücher