Rosen für eine Leiche (German Edition)
sitzen.
Ich brauchte plötzlich frische Luft. Das unbelebte Gasthaus hatte
etwas Beklemmendes. Es drang zu wenig Licht herein. Verstohlen musterte ich
Pauli. Seine Miene sprach Bände. Er sah aus, als halte er mit etwas hinterm
Berg. Ich kannte ihn lang genug.
»Dein kleines Verhör mit der Sorolla hat mir sehr geholfen«, sagte
ich zögernd. »Danke.« Und ich bekannte, dass ich mich über mich selbst geärgert
hätte.
Ich erhaschte einen flüchtigen Seitenblick. Ich blieb stehen und sah
Pauli an. »Aber du hast doch noch etwas auf dem Herzen. Spuck’s aus.«
»Erwischt«, sagte er und schnalzte mit den Fingern. »Ich hab zwei
gute Nachrichten. Welche willst du zuerst hören?«
»Die bessere«, sagte ich, ohne zu zögern.
»Also«, sagte er und grinste mich bedeutungsvoll an. »Deine Lola.
Ich bin ihr nebenberuflich noch ein bisschen nachgestiegen.«
Für Lola hätte ich Bellini freiwillig sausen lassen und Priegel auf
den Meeresboden versenkt.
»Und?«
»Der Mann, mit dem du sie gesehen hast. Ihr Lover, wie du meinst.«
»Was ist mit ihm?« Blut stieg mir in den Kopf. Was sollte daran gut
werden?
»Das ist ihr Redakteur. Der Redakteur der Sendung ›Herrenhaus‹.
Stockschwul, der Junge. Und einen andern Mann hab ich nicht in ihrer Nähe
beobachten können.« Er reckte die Arme in die Luft und räkelte sich in einem
Sonnenstrahl. »Zufrieden?«
Ich hätte ihn küssen können. Seit ich Lola das letzte Mal gesehen
hatte, war ich immer wieder auf mich selbst hereingefallen: Ich sitz in meiner
Wohnung und denk an Lola und warte und stell mir vor, dass es klingelt, und sie
steht vor der Tür, und es ist alles wieder gut.
Lächerlich.
Doch nach Paulis Hinweis nahm ich mir unverzüglich vor, mein Glück
wieder selbst in die Hand zu nehmen.
»Und was ist die zweite frohe Botschaft?«, fragte ich, besser
gelaunt als vorher.
»Na ja«, sagte Pauli. »Es geht noch einmal um Bellini. Aber das ist
wirklich nur für deine Ohren bestimmt. Willst du’s hören?«
Ich nickte heftig. Was sonst? Sollte ich Scholl zuliebe nein sagen?
»Der tote Bellini war nebenher an drei Münchener Sexclubs beteiligt
und zwar ordentlich. ›Le Coq d’Or‹, das ›Märchenschloss‹ und das ›House of
Wonders‹. Ich hab nicht rausfinden können, ob Helen Esterding als Nadine dort
gearbeitet hat oder ob sie überhaupt von seinen Beteiligungen gewusst hat. Ist
ja letztlich auch wurscht, ich hab nur gedacht, es würd dich interessieren.«
Ich schob die Lippen nach vorn und rammte Pauli eine Faust
vorsichtig in den Magen. »Das nenn ich Recherche«, sagte ich.
Das war allerdings etwas, das Scholl wissen sollte. Unbedingt musste
er das wissen. Ich schob Pauli vor mir her zurück in den Gastraum.
Scholl erwartete uns.
»Mein Freund Pauli aus München. EKHK Scholl von der Kripo Rosenheim«, stellte ich vor. »Pauli, sag uns bitte, was du
erfahren hast.«
» EKHK ?«, richtete Pauli die Frage an
Scholl.
Von ihm erntete ich einen vorwurfsvollen Blick. »Erster
Kriminalhauptkommissar«, erklärte er.
Wir setzten uns.
»Muss ich das wirklich?«, fragte Pauli.
»Verdammt, wer parkt denn da die Einfahrt zu?«, brüllte jemand
hinter meinem Rücken von der Tür her. »Wem von euch zum Teufel gehört das Auto
mit …?«
Scholl sprang auf. »Ja mei«, sagte er und tippte mir gegen den Arm.
»Bin gleich wieder da.«
»Du führst mich ganz schön vor«, knurrte Pauli, »ich bin doch kein
Schulbub. Und nicht dein Krimiclown.«
Doch als Scholl wieder am Tisch saß, war Pauli rasch der Alte. Mit
funkelnden Augen berichtete er von seinem Besuch in dem Haus am See, Helen
Esterdings Liebe zu Rosen und Bellinis Ekel davor. Er erwähnte nicht, wer ihn
begleitet hatte.
Scholl überdachte die Konsequenzen.
»Wenn das stimmt, muss man sich wirklich fragen, wie die Rosen auf
den Körper der Toten gekommen sind.«
»Also Mord?«, fragte ich.
Scholl hob die Schultern. »Mord«, sagte er. »Das wär die logische
Konsequenz.«
Ich fragte mich, auf welcher Seite Scholl eigentlich stand. Hielt er
immer noch an der Selbstmordvariante fest, oder hatte sich auch in seinem Hirn
schon die Mordlösung eingenistet? Warum sonst hätten sie Georg festnehmen
sollen?
»Und Bellini war an Sexclubs in München beteiligt«, setzte ich noch
einen drauf. Mein Hang zur Selbstdarstellung war grenzenlos.
»Also was jetzt«, sagte Scholl.
Aus irgendeinem Grund fiel mein Blick auf Scholls Schuhe. Für meinen
Geschmack und seine Figur hatte er viel zu große
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