Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rosen für eine Leiche (German Edition)

Rosen für eine Leiche (German Edition)

Titel: Rosen für eine Leiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
Vom Netzwerk:
sie den Georg mit nach Haus genommen. Man
sollte ja nicht glauben, was dieses Bürschchen für ein Glück bei den Weibern
hat.«
    Er hielt inne. Dann stand er auf und stellte sich vors Fenster,
Gesicht zu mir. Wieder konnte ich seine riesigen, ausgelatschten Schuhe
bewundern.
    »Wissen Sie eigentlich«, sagte er, »nein, woher auch, das können Sie
ja nicht wissen. Sie erinnern sich doch, dass der Kahn keine Ruder hatte, als
wir ihn entdeckt haben. Wir haben die Dinger im ganzen See gesucht, im Schilf,
unter abgestellten Autos, auf Bäumen. Haben Sie eine Ahnung, wo wir die zwei Ruder
gefunden haben, mit ein paar Metern Schnur aneinandergewickelt?«
    Scholl wischte sich den Schweiß von der Stirn. Dabei machte er ein
Gesicht, als hätte er soeben nach langer Irrfahrt einen sechsten Kontinent
entdeckt.
    »In dem Bauernhaus, in dem Georg wohnt, auf dem Speicher. Auf diesem
Speicher waren auch jede Menge Pornos, Filme, Videos und Hefte. Gebrauchte
Spritzen. Verpackte Ampullen.« Sein Gesicht sprach Bände.
    »Wie haben Sie den Antrag begründet?«, warf ich ein.
    »Auf Hausdurchsuchung? Wir haben keinen gestellt. In Verdacht hatten
wir den jungen Liebermann ja schon lange. Und da hat sich’s halt ergeben, dass
ein junger Anwärter, der zufällig gerade in der Gegend zu tun hatte, über den
Speicher gestolpert ist … Na ja, Sie wissen schon.«
    Seine Augen waren auf der Suche nach einer Stubenfliege, einer
Rauchschwalbe oder sonst was.
    »Auf einigen Fotos ist übrigens auch der Harry Steiner drauf. Aber
das wussten wir ja, dass die beiden befreundet sind. Jedenfalls haben wir die
Ruder beschlagnahmt und den Georg festgenommen. Wertvolle Beweismittel.«
    Wenn man es genau nahm, redete Scholl mit mir wie mit einem
Vorgesetzten. Andererseits hatte ich den Mann noch nie so offen plaudern hören.
Auch Kriponesen sind nur Menschen. Ich beugte mich vor und sagte:
    »Und? Wie wird’s nun weitergehen? Seit einer halben Stunde haben Sie
schließlich neue Erkenntnisse.«
    Scholls Kopf schnellte in die Höhe, als hätte er beim minutenlangen
Sprechen gleichzeitig über einem Problem gebrütet.
    »Noch haben wir kein Geständnis von Georg Liebermann.«
    Es klang genau wie damals, als er mich anheuerte, Priegel zu
verhören. Ich wartete schon auf einen neuen Auftrag in meiner Spezialdisziplin.
    Als ob er meine Gedanken erraten hätte, schüttelte Scholl den Kopf.
    »Priegel war ein anderes Kaliber«, sagte er. »Übrigens … das
mit den Rudern, die wir da zufällig gefunden haben, weiß nicht mal Chili. Sie
hat auch noch keine Ahnung von dem Zugriff.« Er räusperte sich. »Haben Sie noch
mal was von ihr gehört? Wie geht’s ihr?«
    Warum fragte er? Ahnte Scholl etwas von meiner engen Verbindung zu
Chili? Oder hatte sie im Zusammenhang mit Torstens Tod etwas davon erwähnt?
Chili rief mich jeden Tag aus Flensburg an, wenn es Abend war. Es ging ihr
»leidlich gut«, so beschrieb sie ihren Zustand. Das hieß für mich, sie litt.
    Zu Scholl sagte ich: »Keine Ahnung. Ich hab nichts mehr von Chili
gehört, seit sie weg ist.«
    Es war keine Lüge. Es war eine der Verschleierung dienende nicht
absolut authentische Aussage. Ich trauerte selbst noch um Torsten Toledo,
meinen alten Kameraden. Und ich vermisste Chilis unbekümmertes Lachen.
    Heute war der Tag der neuen Erkenntnisse. Bellini war ein
Rosenhasser. Er war an Bordellen in München beteiligt. Beim jungen Liebermann
hatten sie die Ruder des Mordkahns gefunden. Da wollte ich noch eins
draufsetzen.
    Ich nahm einen Bierdeckel und malte zwei Zeichen.
    » H  60  M «
und » H  55  M «.
» H  60  M « hatte der erschossene Gerichtsvollzieher
Christnacht am Ostersonntag in seinen dünnen grünen Ordner eingetragen und » H  55  M « am 13. Mai.
    »Sagen Sie, Scholl«, sagte ich und berührte mit dem Zeigefinger die
Narbe auf seinem Handrücken. Sie fühlte sich an wie eine eingekerbte
Markierung. »Haben Sie eine Ahnung, was das bedeuten kann?«
    Er schaute auf den Deckel. Dann beäugte er mich wie einen, der ihn
auf den Arm nehmen will.
    »Wo waren Sie denn in der Schule?«, fragte er. »Sechzig und
fünfundfünfzig Mille. Sechzigtausend und fünfundfünfzigtausend. Warum?«
    Es gibt Augenblicke, die so herausragend sind, dass man sich ein
Leben lang daran erinnert.
    Dies war so einer.
    Auf einmal war mir alles klar.
    Draußen griff ich mir mein Handy. Die Telefonnummer der
Spielbank hatte ich noch im Kopf. Ich verlangte den Direktor.
    »Harry Steiner«, fragte ich ihn und

Weitere Kostenlose Bücher