Rosenberg, Joel - Hüter der Flamme 05
kann uns nicht einholen, schon gar nicht mit beschädigten Segeln. Jane, würdest du ein paar von den Signalraketen holen und den Abschußstab?«
»Klar.« Sie lächelte. »Du fängst an zu denken wie ein Slowotski, und das gefällt mir.« Nach wenigen Augenblicken kam sie mit zwei von den schlanken, mit kleinen Stabilisatoren versehenen Zylindern zurück sowie der zum Abfeuern benötigten Führungsstange.
»Der Stab wird eigentlich in den Boden gesteckt«, erklärte sie, »aber wir können ihn ebensogut an die Reling binden und die Raketen auf ein mögliches Verfolgerschiff abfeuern. Wenn wir ihre Segel treffen - und wenn du dein Schiff zu steuern verstehst, dann treffe ich die Segel -, werden sie zu sehr von ihrem brennenden Schiff in Anspruch genommen sein, um uns Schwierigkeiten zu machen.«
Durine legte dem Kapitän die Hand auf die Schulter. »Außerdem«, gab er zu bedenken, »würde es Tennetty sehr unglücklich machen, wenn wir uns vor einer Gefahr verkriechen, die gar keine ist.«
Der Kapitän runzelte die Stirn. »Die Logik eurer Argumentation hat mich überzeugt.«
All die Vorbereitungen für Angriff oder Flucht erwiesen sich als vollkommen überflüssig, wie sich herausstellte, als sie die Insel umrundeten. Es gab keine Flotte, die es zu bekämpfen oder der es auszuweichen galt, nur schätzungsweise zwölf kleine Boote von höchstens zwei Dritteln der Länge der Gazelle - Fischerboote, mit denen man sich auch zu einer der nähergelegenen Inseln wagen konnte, die aber nicht für die offene See taugten.
Doch irgend etwas war geschehen.
Zwei der Boote waren gekentert, ein weiteres lag mit gesplittertem Mast auf dem sandigen Ufer. Ein Stück weiter den Strand hinauf qualmten die Ruinen von Hütten und Schuppen; schwarzverkohlte Pfosten bezeichneten die Stelle, wo sich die Anlegestege befunden hatten. Schwarzer Rauch hing immer noch über den Bäumen und verdeckte beinahe den Pfad, der vom Wasser herauf führte.
Thivar Anjer sprach als erster. »Wir sollten uns davonmachen. Wer immer das hier angerichtet hat, ist gefährlich.«
»Kannst du mit einer anderen Spur aufwarten, die uns zu Karl Cullinane führt?« erkundigte sich Jane Slowotski mit sanfter Stimme.
»Willst du damit sagen, du findest, daß wir dieser Sache nachgehen sollten?« fragte Jason. »Ich dachte, du wolltest dir einen Besuch auf dieser Insel überhaupt ersparen.«
»Gibt es ein Gesetz, das mir verbietet, meine Meinung zu ändern?« Sie zuckte die Schultern. »Entweder unternehmen wir jetzt gleich etwas oder überhaupt nicht. Ich lege keinen Wert darauf, dem Verursacher dieses Trümmerfeldes in der Nacht zu begegnen.« :
»Die Pier ist abgebrannt«, protestierte der Kapitän. »Ich lasse mein Schiff keinesfalls am Strand auflaufen.«
»Das Ruderboot da draußen sieht noch ziemlich brauchbar aus«, meinte Tennetty und ließ das Fahrzeug nicht aus den Augen, während sie aus den Kleidern schlüpfte, sich das Messer um die Taille gürtete und das Haar im Nacken zusammenband.
Ihr nackter Körper hatte überhaupt nichts Verführerisches an sich, er bestand aus nichts als Muskeln, Haut und Narben. »Ich werde es holen. Jason, gib mir Deckung.« Sie schwang sich über die Reling, glitt mit den Füßen voran ins Wasser und schwamm mit raschen, sicheren Stößen auf das Ruderboot zu.
Er hatte das Gefühl, etwas zu dem Unternehmen beitragen zu müssen. »Durine, du behältst die Wasseroberfläche im Auge. Wenn sich in ihrer Nähe etwas bewegt, dann schieß.« Beinahe konnte er Ellegon in seinem Kopf hören, wie er sagte: »Aber klar. Ohne deinen gütigen Hinweis hätte er wahrscheinlich nur Buh gerufen.«
Doch es mußte noch etwas geben, womit er seine Autorität unter Beweis stellen konnte. Er griff an sein Schulterhalfter und zog die Pistole. Sie ermöglichte eine schnellere Schußfolge als jede andere Waffe, die ihnen zur Verfügung stand, doch Kethols Langbogen war keine schlechte Zusatzversicherung. »Kethol, du hältst deinen Bogen einsatzbereit.«
»Ein guter Einfall, junger Herr.« Mit einem Lächeln stellte Kethol sein Gewehr auf die Decksplanken und schnürte den Lauf mit einem Schupfknoten an der Reling fest. »Ich habe schon mit Pfeil und Bogen gefischt. Man muß nur daran denken, daß Gegenstände unter Wasser näher zu sein scheinen als sie sind.«
Er lockerte mit einigen rollenden Bewegungen die Schultermuskeln, dann legte er einen Pfeil auf und zog prüfend die Sehne zurück, wobei er den gefiederten Schaft locker
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