Rosengift - Die Arena-Thriller
sind. Und sie alarmieren ihre Kollegen, sobald sie die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet sehen«, erklärte einer aus der Clique. »Die letzte Party am Altwarmbüchener See haben sie aufgelöst, weil angeblich zu viel Müll am Seeufer liegen blieb.«
Darüber hatte Matilda vor ein paar Tagen einen Artikel in der Zeitung gelesen.
»Komm, lass uns zum Steintor gehen«, sagte ein anderer, der Matilda vom Typ her an Miguel erinnerte. Er stand etwas abseits von der Gruppe und hatte den Arm um das Mädchen mit dem Lippenpiercing gelegt. »Hier sind mir zu viele Kiddies.« Täuschte sich Matilda oder hatte er sie dabei angesehen? Sie wurde rot, was wegen der Dunkelheit jedoch hoffentlich niemand sah.
»Gute Idee«, rief die kleine Blonde.
»Ohne mich«, sagte Christopher nach einem kurzen Blick auf sein Handy. »Ich hau ab. Ich muss in einer halben Stunde im Sender sein, hab Nachtschicht.«
Matilda, die sich gerade ausgemalt hatte, wie sie an Christophers Seite bis in die Morgenstunden durch die Clubs in Hannover zog, seufzte innerlich. »Ich geh mal meine Freundinnen suchen«, sagte sie zu Christopher.
»Okay.« Es entstand ein Moment des verlegenen Schweigens. Matilda wich dem Blick seiner Silberaugen aus. Er könnte mich wenigstens nach meiner Handynummer fragen . Oder soll ich ihn fragen? Nein, das traute sie sich nicht. Nicole würde das tun, aber Matilda war eben Matilda.
»Danke für die Cola«, sagte sie.
»Keine Ursache.« Christopher lächelte. »Ja, dann… viel Spaß noch! Und grüß mal Miguel von mir, die alte Socke.«
»Mach ich.«
»Tschüss, Matilda.« Er verabschiedete sich von ihr mit zwei angedeuteten Wangenküssen, winkte seinen Freunden lässig zu und ging davon. Matilda stellte die Colaflasche neben den Bierkasten. Sie war enttäuscht. Das war ja super gelaufen! Der interessiert sich nicht für mich, dachte sie. Der hatte nur Mitleid mit mir, weil ich gerade alleine dastand, als er mich entdeckt hat. Zum Teufel mit Christopher! Auf Mitleid konnte sie wirklich gut verzichten, davon hatte sie die Nase gründlich voll.
Sie schlenderte zurück zu der Wiese, wo ihre Freundinnen zuletzt getanzt hatten, konnte sie aber nirgendwo entdecken. Auf der Suche nach Nicole und Anna ließ Matilda ihren Blick umherschweifen. Noch immer kamen Leute zur Party, inzwischen schätzte sie die Zahl der Anwesenden auf vierhundert. Der Park war dunkel, obwohl man etliche Fackeln aufgestellt hatte, deren Lichtschein jedoch nicht sehr weit reichte. Überall wurde getanzt. Die Menschen warfen zuckende Schatten, die sich kaum von den schwarzen Silhouetten der umstehenden Bäume abhoben. Gelächter und Musik mischten sich; ab und zu hörte man eine einzelne Stimme heraus. Plötzlich sah sie Patrick. Matilda war nicht vollkommen sicher, ob er es war, aber doch ziemlich. Ja, da stand er doch, etwa zehn Meter entfernt, auf der anderen Seite der Wiese, zwischen zwei Büschen! Einem Reflex gehorchend drehte sich Matilda um, besann sich dann aber eines Besseren und bahnte sich entschlossen einen Weg durch die Umstehenden in seine Richtung. Das wäre ja noch schöner, wenn sie sich jetzt vor ihm versteckte, als hätte er sie bei etwas Verbotenem erwischt! Schließlich war sie Patrick keine Rechenschaft schuldig, es war ihre Sache, wie sie ihre Abende verbrachte. Ich werde ihn ganz normal begrüßen, das ist das Allerbeste. Aber als sie dort ankam, wo sie ihn zu sehen geglaubt hatte, war er verschwunden. Plötzlich kamen Matilda Zweifel. War er es überhaupt gewesen? Sie hatte sein Gesicht ziemlich deutlich erkannt – glaubte sie zumindest. Er hatte regungslos dagestanden und sie angesehen. Aber er musste doch gemerkt haben, dass sie auf ihn zukam. Warum sollte er dann weggegangen sein? Oder war er ihr nachgeschlichen und nun war es ihm peinlich, von ihr entdeckt zu werden? Matilda kniff die Augen zusammen, doch es war einfach zu dunkel, um mehr als ein paar Meter weit zu sehen. Sie gab die Suche auf.
Was für ein Quatsch! Jetzt fing sie schon an, sich haarsträubende Geschichten zusammenzufantasieren! Das ist wieder eines deiner Hirngespinste . Sie erinnerte sich daran dass sie anfangs, wenige Wochen nach dem Tod ihrer Eltern, manchmal geglaubt hatte, ihre Mutter irgendwo zu sehen, meistens in einer Menschenmenge. Beim genauen Hinsehen war es dann nur eine Frau, die ihrer Mutter ein klein wenig glich, manchmal war es nur ein einzelnes Attribut gewesen: die Frisur, das Profil, die Körperhaltung. Mit ihrem Vater
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