Rosenherz-berbKopie
gleich darauf
wieder zu schließen.
«Balou,
komm zurück. Komm in dein Körbchen.»
«Er
nennt den kleinen Köter Balou», meinte Grüter erklären zu
müssen. «Witzig, oder?»
«Ja»,
sagte Marthaler, ohne eine Miene zu verziehen, «sehr!»
Dann
erschien Mirko in der Tür des Bauwagens. Er war etwa eins achtzig
groß, Marthaler schätzte ihn auf Anfang sechzig. Er trug eine
Kochmütze und eine weiße Schürze, hinter der sich sein Bauch
wölbte. Mit dem mächtigen Backenbart sah er aus wie das
Ebenbild von Franz Joseph, dem österreichisch-ungarischen Kaiser,
der als junger Mann seine gerade erst sechzehnjährige Cousine
Elisabeth heiratete, die bald als Kaiserin Sissi Berühmtheit
erlangen sollte. Und wie sein offensichtliches Vorbild trug auch
Mirko eine rote Hose mit zwei goldenen Streifen an den Seitennähten.
«Kommt
ihr ja richtich pünktlich, habt ihr hoffentlich Hunger oder was?»,
sagte Mirko. Seine Frage klang wie ein einziges genuscheltes Wort,
und Marthaler hatte sofort den Verdacht, dass er hinter der
undeutlichen Aussprache seinen slowakischen Akzent verbergen wollte.
«Müsst
ihr nich rumstehn, kommt ihr rein.» Nach jedem Satz zwinkerte er
mit dem linken Auge, warf die Stirn in Falten, als könne er auch
etwas Falsches gesagt haben, und schüttelte kurz den Kopf.
Marthaler ahnte, dass es sich um einen jener Ticks handelte,
die sich fast jeder Mensch im Laufe seines Lebens angewöhnte und
die nichts mehr zu bedeuten hatten, weil sie an keinen Anlass mehr
gebunden waren.
«Trinkt
ihr erst ma schön wasn Bierchen, zapft ihr euch selbst.»
Marthaler
sah sich nach Grüter um. Der ging zur Zapfanlage, drehte den
Hahn auf und ließ das braune Bier in zwei Gläser laufen.
Währenddessen verschwand Mirko in seinem Wagen, wo ihn Marthaler
durch die offene Tür am Herd hantieren sah.
Tatsächlich
hing an der Außenwand des Bauwagens eine große Zeichnung der
Kaiserin Sissi, daneben eine gerahmte Autogrammkarte mit dem Foto
von Romy Schneider und ihrer Unterschrift. Ein anderes Bild,
ebenfalls eine Handzeichnung, zeigte Mirko in vollem Habit, wie
er eine Pfanne mit dampfenden Speisen servierte. Darüber die Zeile:
«Unserem Kaiser Mirko, die treuen Mitglieder des Gourmet>».
Mirko
brachte zwei Schälchen mit Salat und forderte Marthaler auf,
sich zu setzen. «Habt ihr noch schön 'nen halbes Stündchen Zeit,
könnt ihr in Ruh noch was schwätzen un essen.»
«Was
meinen Sie damit, dass wir noch eine halbe Stunde Zeit haben?»
«Nee
machen wir nich mit Sie. Duzen wir uns hier alle. Bin ich der
Mirko.» Er streckte Marthaler die Hand hin, was diesen so
überraschte, dass er instinktiv einschlug und seinen Vornamen
nannte.
«Halbes
Stündchen, bis der Dings kommt, seid ihr noch unter euch. Hol ich
ma rasch euer Gulasch.»
Während
Mirko zurück in die Küche ging, stellte Arne Grüter die beiden
Biere auf den Tisch und setzte sich Marthaler gegenüber.
«Wer
kommt in einer halben Stunde?», fragte dieser. «Was soll das jetzt
wieder?»
«Prost,
Herr Hauptkommissar, jetzt spitzen Sie mal die Ohren!»
Marthaler
hob sein Glas, stieß aber nicht mit Grüter an.
«Bei
Mirko verkehren die unterschiedlichsten Typen. Leute aus dem
Milieu genauso wie Leute aus der Justiz. Ich habe hier schon
Vorstandsmitglieder der die mit dem Inhaber eines Wettbüros gegessen haben. Hier hocken
Ihre Kollegen von der Sitte neben Nachtclubbesitzern;
gelegentlich war auch schon die ein oder andere Dame dabei, und ich
glaube nicht, dass alle immer getrennt nach Hause gegangen sind.»
«Und
Sie sitzen unterm Tisch und schnappen nach den Krümeln?», fragte
Marthaler.
Mirko
kam, stellte das Essen auf den Tisch und verschwand sofort wieder.
Grüter
lachte. «So ähnlich. Mirkos Club ist eine Nachrichtenbörse.
Hier erfährt man Dinge, die einem kein Pressesprecher je
erzählen würde. Und manchmal gehen für eine gute Information auch
ein paar Scheine über den Tisch. Es gab Zeiten, da ging es hier
hoch her. Im Moment ist ein bisschen Flaute, aber wird sicher
auch wieder besser, the times they are achangin'. Wenn so ein Ding
wie gestern Morgen im Stadtwald passiert ist, sind alle erst mal
vorsichtig. Da bleibt jeder für eine Weile auf der sicheren Seite.»
«Womit
wir endlich zur Sache kommen können», sagte Marthaler.
Grüter
drückte seine Zigarette aus, nahm ein Besteck und schob sich eine
Gabel mit Gulasch in den Mund. Dann wartete er, bis Marthaler es ihm
gleichtat, und schaute
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