Rosenmörder (German Edition)
Hand nach ihm
ausstreckte, machte der Hund einen Satz. Nicht zum Wald hin oder weg von
Ottakring oder zu ihm hin. Nein, er machte einen Satz ins Auto und erwartete
Ottakrings Gunst vom Fahrersitz aus. Ein buschiger Schweif fegte den Staub aus
den Rissen des Leders.
»Jetzt aber! Gehst du vielleicht von meinem Sitz …«
Nach dem fünften Versuch gab er es auf.
»Rutsch rüber«, sagte er und quetschte sich neben den Hund auf den
Fahrersitz.
Der Hund gab nach. Er rutschte rüber.
Ottakring schlug die Tür zu.
Der Hund saß auf Herrn Hubers früherem Platz. Gleichberechtigt
rechts neben dem Fahrer.
»Das ist vielleicht ein komischer Anfang«, sagte Ottakring halblaut.
»Sitzt schon wieder so ein von Flöhen bewohnter Organismus neben mir. Aber du
kriegst einen anderen Namen. ›Herr Huber‹ ist schon vergeben.«
Dann brausten die zwei ab nach München, Lola zu besuchen.
Anmerkung des Verfassers
Gibt es die Kloster-Geheimgänge wirklich?
Das Kloster Frauenwörth auf der Fraueninsel im Chiemsee
wurde in einer der dunkelsten Zeiten des finsteren frühen Mittelalters
gegründet. Man stelle sich vor: Ein Haus voller unschuldiger Nonnen und die
heidnischen Hunnen rücken an! Ungarische Reiterheere überfallbereit am nahen
Ufer! Das Leben in diesen unruhigen Zeiten war für Frauen ohnehin besonders
schwer und riskant. Es war ein misogynistisches Zeitalter. Man musste sich vor
Gefahren schützen. Mauern halfen gegen die Angreifer nicht, also musste man
unter die Erde gehen.
Der bayerische Herzog Tassilo III .
war es, der im achten Jahrhundert die Benediktinerinnen-Abtei als Stift für
adelige Damen erbauen ließ. Irmingard, eine Urenkelin Karls des Großen, war die
erste namentlich bekannte Äbtissin (das Konterfei jeder einzelnen seither
amtierenden Äbtissin hängt übrigens im sogenannten »Äbtissinnengang« des
heutigen Klosters, siehe Titelbild). Kriege, Brände, Hungersnöte, Epidemien,
der Investiturstreit, Reformation und Säkularisation nahmen in den folgenden
Jahrhunderten einen verheerenden Einfluss.
Die Klosterordnung ist in karolingischer Zeit bereits fest
ausgeprägt. Der Grundriss geht auf das römisch-britannische Heerlager zurück,
das Claustrum. Und so hat jeder romanische Sakralbau eine Krypta. Also eine
Gruft unterhalb des Altars, die sich im Fall der Abtei Frauenwörth als
Stollenkrypta entpuppt. Der Stollen verläuft kreuzförmig in mehr als zehn
Metern Tiefe unter dem Gebäude. Ein idealer Unterschlupf – und
Weinkeller – für die Ordensfrauen! Selbstverständlich ist man bei
Untersuchungen und Grabungen in der Neuzeit auf die verschiedensten Spuren aus
dieser Frühzeit des Klosters gestoßen. Doch von unterirdischen Gängen ist in
all den wissenschaftlichen Abhandlungen nicht die Rede.
Ein Hauptgrund mag sein, dass das Klostergebäude in der ersten
Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts von Grund auf neu und größer errichtet
wurde. Es wurde nicht etwa versetzt, sondern an dem Ort, wo es heute steht,
komplett neu hochgezogen, wenige hundert Meter vom alten Komplex entfernt.
Reste des alten Klosters existieren unterirdisch im Raum um den heutigen
Friedhof, dem Campanile des Münsters und dem Mesnerhaus.
Unter dem jetzigen Friedhof liegen also die Gänge! Es waren von
Beginn an – notgedrungen – Geheimgänge. Und sind es bis zum heutigen
Tag geblieben.
Im frühen Mittelalter bestand der größte Teil der Bevölkerung aus
Analphabeten. Ob das auch für die Nonnen von Frauenwörth gilt, ist nicht
erwiesen, schließlich sprechen wir von adeligen Damen. Doch auch unser Wissen
um Bildungsstand und Schreibkunst des damaligen Adels ist nicht ganz schlüssig.
Eine außerordentliche Armut an schriftlichen Quellen ist unbestritten. So muss
man sich heute bei der Erforschung dieser Epoche zumeist auf bruchstückhafte,
unvollständige, verstreute, widersprüchliche und unzuverlässige Dokumente
stützen. Es gibt in Frauenwörth keine Gerichtsakten, keine Unterlagen über
Landvermessungen, kaum Tagebücher oder Aufzeichnungen über das tägliche Leben.
Als sensationell gilt ein Fund des deutschen Gelehrten Friedhelm von
Gottesbach. Danach erhält im Jahre 1432
ein Benediktinermönch namens Gallus Aufenthaltserlaubnis auf der Insel –
»zu Studienzwecken«. Während der zweieinhalb Monate seines Aufenthalts führt
Gallus sorgfältig Buch über seine Beobachtungen und Tätigkeiten. Die Seiten 49 bis 52 dieses
Tagebuchs handeln von den Gängen unterhalb des Klosters. Der
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