Rosenmörder (German Edition)
Wahnsinn. Sind kreativ
begabte Menschen nicht oft anfällig dafür, seelisch zu entgleisen?
Und Matilda?, wende ich mich wieder an Ottakring.
Warum wurde Schwester Matilda so brutal getötet?, frage ich. Wenn mir etwas
schleierhaft erscheint, dann das.
Verwechslung!, rufen Ottakring und Adamina wie
aus einem Mund. Das muss eine Verwechslung gewesen sein.
Penelope war das eigentliche Zielobjekt gewesen,
erklärt Ottakring. Das vermuten wir zumindest bis auf Weiteres. Gut, dass Sie
da sind, Adamina. Dann können Sie ja selbst die ganze Geschichte schildern.
Die Schottin hat sich an die gegenüberliegende
Wand gelehnt. Als Ottakring merkt, dass er neben einem Bett und zwischen zwei
stehenden Frauen sitzt, steht auch er auf und fühlt sich etwas deplatziert im
Raum. Vor lauter Verlegenheit fischt er eine Zigarette heraus, steckt sie aber
gleich darauf wieder ein.
Ein Teil der Informationen stammt von
Eva M., sagt er. Sie kannte Penelope von früher, wie wir wissen. Aber den
interessanteren Teil hat unsere schottische Freundin recherchiert. Aus Quellen,
die wir kennen, die aber nicht in die Öffentlichkeit gehören.
Adamina hüstelt. Und spricht etwas sehr nüchtern
und trocken aus, was für mich wie eine Sensation klingt.
Penelope Modrow war mit dem stinkreichen Russen
Igor Jurewitsch Orlow verheiratet. Orlow war im Waffengeschäft groß geworden.
Und er, Orlow, hat Kosmos beschäftigt. Kosmos hatte sich in den USA – sagen wir –
unbeliebt gemacht und wurde von Orlow übernommen. Oberstleutnant Modrow
wiederum, Penelopes Vater, war nach der Wende ebenso eine Größe im
Waffenhandel. Alles, was im Besitz der NVA gewesen war, bot er weltweit an. Schiffe, Kampfjets, Minen,
Handfeuerwaffen, Drohnen. Die ganze Palette. So wurde er zur Gefahr für Orlow,
der parallel dazu den Ausverkauf der damaligen GUS -Staaten betrieb, hauptsächlich
über Litauen. Irgendwann kam es zum Showdown zwischen den beiden.
Mord ist in diesem Milieu die einzig wirksame
Möglichkeit zur Konfliktlösung. Orlow plante, Modrow von Kosmos ermorden zu
lassen. Üblich war in diesen Kreisen, dass der Boss dem Killer genau
vorschrieb, auf welche Weise er das Opfer umzubringen hatte. Modrow sollte
garrottiert werden. Doch in letzter Sekunde platzte der Deal. Kosmos wurde in
einen stinknormalen Verkehrsunfall verwickelt, und Orlow musste Modrow selbst
töten. Er erschoss ihn. Sein Pech war, dass es eine Zeugin gab. Nicht
irgendwen, sondern Modrows Tochter Penelope. Und wie das Leben so spielt, das
wissen wir, war Penelope auch Orlows Ehefrau. Von da an stellte sie eine
latente Gefahr für ihren Mann dar.
Als schließlich der Prozess gegen Orlow anstand,
meldete sich Penelope als Kronzeugin. Noch bevor es zu den erwarteten
Repressalien ihres Mannes kam, wurde sie ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen.
Ihre Tarnung, Klosterschwester auf einer weit entfernten bayerischen Insel
nämlich, schien perfekt.
Ich versuche, mich in Penelopes Psyche
einzuklinken. Mein Mann tötet meinen Vater. Nicht aus Eifersucht oder
verletzter Ehre. Sondern aus einem niederen Beweggrund. Habgier, Macht. Was
würde in mir vorgehen? Würde ich meinen Mann deswegen hassen? Ich sehe zu
Ottakring hinüber. Er scheint meine Gedanken erraten zu haben.
Was den Behörden seinerzeit entglitt, sagt er,
war Orlows Flucht. Von einem Tag auf den anderen war er verschwunden. Und nun
kommt’s, Chili. Der Typ taucht bei uns in Bayern wieder auf. Keiner weiß davon,
weil bei unseren deutschen Polizeibehörden alles immer noch nicht
hundertprozentig koordiniert abläuft. Die Bayern wissen oft nicht, was in
Sachsen abläuft, und umgekehrt. Erst seit wenigen Tagen wissen wir, wer Orlow
ist.
Seine Augenbrauen heben sich.
Ein langer Augenblick des Schweigens tritt ein.
Niemand bewegt sich. Mir ist klar, dass dies eine Art Test meines
Geisteszustands ist. Ich soll aus dem Gesagten kombinieren, wer Orlow ist.
Vermutlich in anderer Gestalt, unter anderem Namen. Meine Gedanken werden
durcheinandergewirbelt wie in einer Zentrifuge.
Gubkin etwa?, frage ich zögernd.
Treffer! Adamina strahlt.
Sir Francis bellt kurz auf.
Bisher konnte keiner einen Zusammenhang herstellen,
erklärt Ottakring. Aber Gubkin ist definitiv Orlow. Wir haben vier verschiedene
Originalpässe bei ihm gefunden. Selbst Penelope hat keine Ahnung von seiner
Identität. Sie hatte telefonischen Kontakt mit ihm aufgenommen, besaß aber nur
die Handynummer. Gubkin ist einfach reif.
Dem kann ich folgen. Nur der Matilda-Mord
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