Rosenmörder (German Edition)
Wildschitz. Er sah sich vorsichtig um. »Was muss ich
dafür tun? Sie wissen doch, ich hab nur begrenzten Einfluss auf die
Bauplanung.«
Gubkin schüttelte sanft den Kopf und erhob sich. »Darum geht’s mir
im Moment nicht. Ich hab was anderes mit Ihnen vor. Kommen Sie heute zu mir,
und ich werd’s Ihnen erklären. Wann haben Sie Zeit?«
»Wie lang brauchmer denn?«
»Eine Stunde und zehn Minuten. Wenn Sie sich sträuben.« Er lachte
hell. »Eine Viertelstunde, wenn Sie mitmachen.«
Punkt siebzehn Uhr fünfzehn rollte der dunkelblaue Opel
des Bürgermeisters über den Kies auf das Grattenschlösschen zu. Gubkin hatte
Weisung gegeben, Wildschitz’ Auto vor dem Gebäude parken zu lassen.
Die finstere Haushälterin ging ihm auf der Treppe voraus.
»Danke, Agnessa«, sagte Gubkin, als die Alte ihn ablieferte, und
»Challo, Andi«, begrüßte er Gubkin im Musiksalon. »Passendes Gwand«, sagte er
erfreut und strich über die Geranienblüten an Andis Hut. »Passt!«
Wildschitz trug die Montur der Aschbacher Gebirgsschützen.
Gubkin setzte sich an den Flügel und spielte die Mondscheinsonate.
Wenn es brenzlig wurde, spielte er sie immer. Beethovens Musik wirkte zugleich
ausgleichend und fordernd. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass gerade dieses
Stück den Gegner einlullte.
Wildschitz lehnte mit verschränkten Armen an der Wand und wartete
ab. Es war ihm anzusehen, dass ihm die Musik gefiel.
»Was sagen Sie eigentlich zu dieser Explosion in Rosenheim?«, fragte
er nach dem langsamen ersten Satz.
Gubkin setzte eine laute Dissonanz in die Tasten. Er wandte den Kopf
zu Wildschitz und sah ihn lange an.
»Exakt darüber wollt ich mit dir reden.«
»Felix, da ist ein Herr von der Polizei. Ein Kriminalrat.
Der will dich sprechen«, kündigte Nadeschda wenig später an.
Die beiden Männer sahen sich an, Fluchtinstinkt in den Augen. Gubkin
hatte vorausgesehen, dass die Polizei irgendwann bei ihm auftauchen würde. Auch
sein Alterchen hatte ihn gewarnt. Doch nun wurden seine Züge hart.
»Nervös, Herr Gubkin?«, fragte Wildschitz.
»Nur auf der Hut.«
»Sie gehen große Risiken ein.«
»Das ist nichts Neues für mich.«
Gubkin überlegte, ob es klug war, wenn der Kommissar den
Bürgermeister bei ihm antraf. Aber erstens konnte er dessen Auto nicht vom
Parkplatz wegzaubern, und zweitens war es nicht unüblich, dass sich ein
Dorfbürgermeister persönlich mit der Realisierung eines Großprojekts wie dem Biotech-Projekt
befasste.
Er warf einen Blick aus dem Fenster. Neben dem blauen Opel parkte
ein orangefarbener alter Porsche. Der Kommissar hatte einen erlesenen
Geschmack.
Nun stand er mit Nadeschda unter der Tür.
Selbstverständlich hatte Gubkin sich schlaugemacht. Er wusste, wer
dieser Ottakring war, und hatte sich Fotos von ihm zeigen lassen. Auch seine
Mitarbeiter kannte er, den toten und die lebenden. Polizei hatte für ihn stets
einen negativen Beigeschmack gehabt, es sei denn, er konnte sich ihrer bedienen,
wie in seiner Heimat. Hier in Bayern hatte er es gar nicht erst versucht.
Doch nun, als dieser Ottakring in der Tür stand, überkam ihn ein
plötzliches Gefühl der Sympathie. Der Mann wirkte nicht wie ein bissiger,
überschlauer Kriminaler, eher wie ein Mann, der gutes Essen schätzt und es sich
wohlergehen lässt. Es war gut gewesen, dass er die Angriffe auf ihn gestoppt
hatte.
Es fiel ihm nicht leicht, aber sein Gesichtsausdruck blieb
vollkommen gelassen. Zwanzig Sekunden lang blieb er einfach stehen. Dann löste
er den Blick, trat an seinen Klavierstuhl, setzte sich und legte die Hände in
den Schoß.
Wildschitz hielt sich im Hintergrund.
Es war offensichtlich, dass Ottakring den Bürgermeister gesehen
hatte, doch außer einem kurzen Nicken nahm er keine Notiz von ihm.
»Alterchen, hilf mir«, flüsterte Gubkin unhörbar.
»Na los, fragen Sie schon«, sagte er zu Ottakring. Er wusste nicht,
wie der andere reagieren würde, und es überraschte ihn, wie ruhig er es
hinnahm.
Ottakring war beeindruckt gewesen, als er den Porsche
langsam das gewundene Sträßchen hinaufsteuerte. Er lebte zwar in Aschbach, war
aber noch nie im Priental gewesen, das sich über die Höhenzüge südlich dahinter
bis nach Tirol hinzog. Es erschien ihm wie ein kleines Wunder, als sich auf
einmal der Wald öffnete und das Schlösschen, umgeben von einem Rosenfeld,
märchenhaft zum Vorschein kam. Er wusste, dass Felix Gubkin sich in den Kopf
gesetzt hatte, hier ein gigantisches Biotech-Unternehmen aufzuziehen.
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