Rosenmörder (German Edition)
Bei
Kosmos, natürlich, da bietet sich dieser Gubkin als Hintermann an. Eine Fehde
unter liebenswerten russischen Landsleuten. Aber nachweisen kann man ihm bisher
nichts. Schließlich ist auch die Mordserie vorher, mit Kosmos als Mörder, total
undurchsichtig und zusammenhanglos. Es gibt keinen gemeinsamen Nenner. Opfer,
die nichts miteinander zu tun hatten, die sich nicht einmal kannten. Es gibt
weder ein Motiv noch einen auslösenden Grund für die Taten. War es einfach
Kosmos’sche Mordlust gewesen?
Bei der toten Nonne bietet sich überhaupt niemand
an.
Der Fall wird zum Tagesgespräch der gesamten
Region. Eine erwürgte Ordensschwester, das hat es noch nie gegeben.
Daneben verblasst die einspaltige, fünfzeilige
Meldung von der Entdeckung der unterirdischen Gänge unter dem Kloster. Die
Schwestern verfügen über eine eigene Wasserversorgung und hatten von einem Tag
auf den anderen Probleme mit ihrem Wasser. Es schmeckte plötzlich eigenartig,
nach Metall oder nach Sägespänen. Sie ließen Spezialisten kommen. Die
Fachkräfte machten Probebohrungen und stießen dabei auf die Gänge. Zwar hatte
es immer schon geheißen, dass sich irgendwo unterm Kloster Katakomben befinden
sollten. Doch erstens hielt man es für ein Gerücht aus grauer Vorzeit, und
zweitens dachte man eher an einen Keller als ein weitverzweigtes System.
Die Äbtissin wollte das Geheimnis weiterhin für
sich behalten. Sie scheute den Gang in die Öffentlichkeit, denn er hätte noch
mehr Touristen auf die Insel gebracht. Doch sie hatte nicht mit der Pfiffigkeit
Heinrich Eusers vom Volksblatt gerechnet. Er hatte glänzend recherchiert.
Unglaublich!
Ohne weitere Vorrede eröffnet Ottakring das
Gespräch. Er riecht nach kaltem Rauch, hat harte Linien im Gesicht und wirkt
irgendwie verstört. Eingeschüchtert. Verwirrt. Mir fehlt das richtige Wort.
Unglaublich, dieser Gubkin. Er muss so etwas wie
ein Genie sein. Wusstest du, dass er perfekt Geige spielen konnte, bevor er
Pianist wurde? Nein, kannst du natürlich nicht wissen. In einer einzigen Woche
hat er als Bub gelernt, perfekt Geige zu spielen. In der nächsten Woche kam das
Klavier dran. Und …
Und woher weißt du das alles?, unterbreche ich.
Seine Hände krampfen sich um die Lehnen seines
Besucherstuhls. Er hat einen Blick, als wolle er mir den Kopf abbeißen.
Und das fragst du mich? Woher soll ich solche
Infos denn haben? Vom Bundesnachrichtendienst natürlich. Also pass auf …
Nicht nur mehrere Musikinstrumente beherrschte
Gubkin meisterhaft. Sogar Musikkritiker haben zugegeben, dass er absolute
Spitze war. Der BND hatte Ottakring Rezensionen zugefaxt, übersetzt natürlich. Einmal
hat er sich für Astronomie interessiert. Nach ein paar Tagen hatte er jedes
Buch zu diesem Thema durchgelesen und sich mit Professoren unterhalten. Im
Moskauer Planetarium hat er Experten mit seinem unglaublichen Wissen erstaunt.
Außerdem konnte er immer schon mit Zahlen zaubern. In weniger als einer
Sekunde, schreibt der BND , rechnet dir Gubkin die Wurzel einer dreistelligen Zahl bis auf
drei Dezimalstellen genau aus. Es gibt kein Wissensfeld, das er anpackt, in dem
er nicht Höchstleistungen vollbringt. Du hast kaum mit dem Finger geschnippt,
da hat er schon das Wesentliche begriffen, und in einer Viertelstunde lernt er
Dinge, für die ein Normaler sehr, sehr lange die Schulbank drücken müsste.
Ottakring ist ehrlich beeindruckt, und ich muss
sagen, mir imponiert das auch. Kein Wunder, dass unser Freund zu den
erfolgreichsten Geschäftemachern im neuen System gehört. Dass er sich ein internationales
Topmodel angeln und sich ein Schlösschen im allerschönsten Bayerischen leisten
kann.
Und was fangen wir jetzt mit diesen Neuigkeiten
an?, fragt mich Ottakring. Sein Lebenslauf spricht doch absolut dagegen, dass
wir in ihm den Overkiller haben, der Tod und Verderben versprüht.
FÜNFZEHN
Ottakring betrachtete den Mann, dem er gegenübersaß. Er
war bleich, sein Gesicht war eingefallen, die Augen matt. Er war kaum
wiederzuerkennen, der Bürgermeister Wildschitz. Belastete ihn das neue Amt so
stark? War es die Verantwortung? Private Probleme konnten es kaum sein, denn
Wildschitz hatte keine Familie, jedenfalls nicht am Ort, doch darauf wollte
Ottakring später zu sprechen kommen.
Das Aschbacher Rathaus war ein Barockhaus wie aus dem Bilderbuch, mit
grünen Fensterläden, Lüftlmalerei und einer kleinen Freitreppe, die Ottakring
um exakt dreizehn Uhr siebenundfünfzig hinaufgestiegen war. Punkt
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