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Rosenmunds Tod

Rosenmunds Tod

Titel: Rosenmunds Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theo Pointner
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Ein wenig Ablenkung täte uns mal gut.«
    Der Staatsanwältin wurden die Knie weich. »Ich habe über das nachgedacht, was Sie mir letzte Woche im Café sagten«, hüstelte sie umständlich.
    »Und?« Op den Hövel kam langsam näher.
    »Gegen ein gemeinsames Abendessen dürfte wirklich nichts einzuwenden sein. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass wir uns nicht über den Fall unterhalten.«
    »Natürlich nicht. Ich erinnere an meinen Leitspruch: Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Bedeutet nicht, ich wäre Alkoholikerin, aber mein Privatleben trenne ich streng.«
    De Vries tat so, als müsse sie überlegen. »Hätten Sie morgen Abend Zeit?«
    Op den Hövel stand inzwischen nur noch einen Schritt von der Staatsanwältin entfernt. »Aber sicher. für dich habe ich immer Zeit.«
    Dabei strichen die Finger ihrer linken Hand wie ein Hauch über den wesentlich fleischigeren Unterarm von de Vries, gleichzeitig hauchte sie ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Holst du mich um sieben im Hotel ab?«
    »Ja«, stammelte de Vries fassungslos vor Glück. Eine Gänsehaut machte sich auf ihrem Körper breit.
    »Ich freu mich«, flüsterte op den Hövel und fasste ihre Mappe wieder fester. Mit einem gekonnten Augenaufschlag lief sie leichtfüßig zur Tür. Bevor sie verschwand, drehte sie sich noch einmal kurz um. »Übrigens. ich heiße Carla.«

36
    Kerstin Friedrichs presste sich in den schlecht gepolsterten Sitz der U-Bahn und sah sich ängstlich um. Verfolgungswahn war eines der wenigen Leiden, mit denen sie bisher keine Probleme gehabt hatte. Aber nun war auch das anders.
    Nach Svenjas Tod war sie nur betrübt gewesen, Svenja war eigentlich genauso wie sie: schüchtern, zurückhaltend, lieb und immer darauf bedacht, es jedem recht zu machen. Sie kannten sich aus dem Kindergarten, hatten fast jeden Nachmittag miteinander verbracht, sofern Svenja zum Spielen nach draußen durfte, bis ihre Freundin dann für eine Zeit in dem Heim gewesen war.
    Erst später war ihr der Gedanke gekommen, dass der Mord an Svenja etwas mit der Verhaftung von Onkel Hans zu tun haben könnte. Die Vorstellung war eine Katastrophe für sie. Onkel Hans war der Einzige, der ihr zuhörte, dem sie erzählen konnte, was sie bedrückte, der sie nicht als das kleine, quengelige Kind abtat wie ihre Mutter. Natürlich hatte sie es angewidert, als sie sah, wie er seine Hand auf Svenjas Oberschenkel gelegt hatte, damals, als er sie zusammen mit Svenja zufällig in der Stadt getroffen und auf ein Eis eingeladen hatte. In der Eisdiele war es leer gewesen, es war niemandem aufgefallen, wie nah Onkel Hans an Svenja herangerückt war.
    Auf dem Weg nach Hause hatte sie ihre Freundin gefragt, ob das wirklich ihr Onkel sei. Svenja hatte herumgedruckst, ihr aber schließlich erzählt, dass sie den Mann durch einen ›Freund‹ kennen gelernt habe. Er sei sehr lieb zu ihr und ein gutes Taschengeld würde er ihr auch bezahlen. Durch Onkel Hans habe sie noch andere Onkel kennen gelernt und auch die seien sehr nett und großzügig.
    Kerstin hatte abends lange in ihrem Bett wach gelegen und über das nachgedacht, was Svenja ihr gesagt hatte. Nicht, dass Onkel Hans der Erste war, der Kerstin so berührt hatte. Ihr Vater machte das, seit sie vier oder fünf war, eigentlich immer, wenn ihre Mami nicht zu Hause war. Am Anfang hatte er sie nur gestreichelt, hatte beruhigend auf sie eingeredet und von einem Spiel gesprochen, das jeder Vater irgendwann mal mit seiner Tochter zu spielen begönne. Schon in diesem sehr kindlichen Alter hatte sie gespürt, dass da etwas nicht stimmte, ihr Vater hatte die Hand, mit der er sie nicht streichelte, in den Bund seiner Jogginghose geschoben, immer heftiger geatmet und gestöhnt. Sie hatte Angst um ihn bekommen und ihn gefragt, ob er krank sei. Er hatte gelächelt, wenn sie nichts erzählen würde, wäre das schon in Ordnung, dann könne er auch nicht krank werden.
    Je älter sie wurde, umso schlimmer wurde es. Aus dem Streicheln wurde bald mehr, ihr Vater wurde immer drängender, und als ihre Mutter, die eine Stellung als Kellnerin in einer nahe gelegenen Gaststätte hatte, auch noch abends arbeiten musste, verlor ihr Vater mehr und mehr jegliche Hemmungen. Fast jeden Abend kam er für eine halbe oder ganze Stunde zu ihr ins Zimmer, meistens direkt nach der Tagesschau, und legte sich zu ihr ins Bett. Um diese Zeit roch er schon immer stark nach Alkohol, ihr Bitten und Betteln, sie doch nur zu streicheln, zu spielen wie

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