Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman
Islands sind ein kleiner Inselstaat im Südpazifik. Die Einwohnerzahl beträgt knapp zwanzigtausend, also etwa so viel wie in Appenzell Innerrhoden. Im Gegensatz zu diesem Kanton seien die Cook Islands aber das, was die Innerrhödler auch gerne wären, nämlich ein unabhängiger Staat.
Wenn auch in einer freien Assoziierung mit Neuseeland, das die Aussenpolitik übernimmt. Wirtschaftspolitisch sind sie autonom. Das haben sie genutzt, um zu einem Offshore-Paradies zu werden.
Das mit dem Paradies könne man durchaus wörtlich nehmen. Er selbst sei auf einer Weltreise dort vorbeigekommen, und nach seinem Dafürhalten handle es sich um eine der schönsten Inselgruppen der Welt. Könne er nur empfehlen, auch wenn es sich, zugegeben, um eine ziemlich weit entfernte Gegend handle.
Ob diese abgelegene Lage nicht hinderlich sei für die Rolle als Firmensitz, wollte ich wissen. Adelina übernahm für den jungen Mann die Antwort. Sie war natürlich schon wieder im Netz unterwegs gewesen. Beim Internet-Lexikon Wikipedia hatte sie das herausgefunden, was wir schon wussten. Allerdings stand dort zu ihrem Erstaunen unter dem Stichwort «Wirtschaft» zwar einiges über die dortigen landwirtschaftlichen Anbauprodukte, jedoch kein Wort über ein Steuerparadies. Da hatte jemand den Wikipedia-Eintrag wirksam kontrolliert.
Adelina hatte bei Google nach «Cook Islands Offshore» gesucht und war fündig geworden. Eine Firma für «Cook Islands Offshore-Firmengründungen» beschrieb unverblümt, worum es ging:
«Die Offshore-Firma ist die ideale Rechtsform, wenn Sie Wert auf Anonymität und Diskretion legen, keinerlei Geschäftsinformationen ausforschbar sein sollen und Sie dabei Haftungsschutz und Steuerbefreiung geniessen wollen. Selbstverständlich legal und gesetzeskonform.»
Und weiter unten wurde klar, dass man keineswegs ans andere Ende der Welt reisen muss, um dort eine Firma zu gründen:
«Sie können Ihre Offshore-Firma ganz bequem online über unsere Webseite bestellen. Die Gründung einer Offshore-Firma auf den Cook Islands dauert zehn bis vierzehn Tage. Die Offshore-Firma wird mit Ihrem Wunschnamen registriert. Die Abwicklung ist dabei denkbar einfach.»
Jetzt waren wir zwar in Sachen Cook Islands klüger, nicht aber, was unsere Pläne betraf. Der Wirtschaftskriminalist bestätigte in seiner Zusammenfassung unsere schlimmsten Befürchtungen: Wenn es die Erpresser – und Mörder, wie Adelina nicht müde wurde zu ergänzen – einigermassen geschickt angestellt hatten, gab es keine Chance, herauszufinden, wer hinter der Strohfirma stand, die als Käuferin der Liegenschaft an der Karpatenstrasse auftreten würde, egal, ob die Kette der verschachtelten Firmen auf den Cook Islands endete oder nicht.
Reichlich ratlos trennten wir uns. Wenn uns etwas Neues einfiele, wollten wir uns gegenseitig informieren. Vorderhand aber waren neue Ein- und Absichten weit und breit nicht in Sicht.
* * *
Natalie Spross rief am Montag gegen Mittag an. Das Interview mit ihr war wie geplant erschienen. Sie hatte sich darin zur Unglücksserie geäussert, die ihr Unternehmen getroffen hatte, fand warme Worte für die ermordete Graziella Rosengarten und liess, wie vom Erpresser gefordert, durchblicken, man sei unter gewissen Umständen bereit, vom ehernen Prinzip abzuweichen, keine Immobilien zu verkaufen.
Schon am frühen Vormittag war das Kaufangebot einer ihr bisher unbekannten Aktiengesellschaft, vertreten durch eine renommierte Wirtschaftskanzlei, eingetroffen, auf Papier, überbracht von einem Kurier. Sie hatte sich eine Woche Bedenkzeit ausbedungen und diese erhalten. Alles würde ablaufen, wie wir es uns am Nachmittag davor zu unserem Leidwesen hatten ausmalen müssen.
Das bedeutete, dass in einer Woche ein erpresster Handel ablaufen würde, der rechtskräftig blieb, wenn der erpresserische Hintergrund nicht hieb- und stichfest nachgewiesen werden konnte, samt Antwort auf die Frage, wer dafür verantwortlich war. Dass die Chancen dafür minimal waren, wusste auch Frau Spross. Das gefiel ihr ganz und gar nicht. Den Verlust eines wertvollen Grundstücks und der damit verbundenen Gewinnaussichten konnte sie noch verkraften, gratis abgeben musste sie es nicht, wenngleich der gebotene Preis, wie in den Erpresser-Mails angekündigt, am unteren Ende der Spanne lag, die man als anständig bezeichnen konnte.
Viel mehr machte ihr zu schaffen, dass Verbrecher für ihr Tun nicht nur nicht zur Verantwortung gezogen werden konnten, sondern von
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