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Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Arsenault
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aufgekratzt. Wir warfen ihn ins Badezimmer und sperrten ihn dort ein, bis du kamst.«
    »Charlotte hat mir nie erzählt, dass du ihn eingefangen hast.«
    »Natürlich nicht. Und ich durfte es dir auch nicht verraten. Sie wollte nicht, dass du dich aufregst und die ganze Sache platzen lässt.«
    »Tja, mit meiner Empfindlichkeit kam ich Charlotte oft in die Quere.«
    »Ich weiß.« Wieder verdrehte Toby die Augen. »Wäre sie ein bisschen schlauer gewesen, hätte sie das zu ihrem Vorteil genutzt. Noch ein Bier?«
    »Gern.«
    Toby winkte unsere Kellnerin heran. Während wir auf die Biere warteten, lauschte ich dem Lärm der anderen Gäste. Einer von ihnen hatte ein lautes Lachen, das mich währendder Unterhaltung mit Toby immer wieder abgelenkt hatte. Und nun, da ich mich darauf konzentrierte, wurde mir bewusst, dass ich es kannte. Ich blickte zu dem dunkelhaarigen Hinterkopf an der Theke, von dem es kommen musste.
    »Ja, logisch, Joe«, sagte der Barkeeper gerade. »Als wenn die nicht alle auf Speed wären!«
    Joe. Ich wandte mich wieder Toby zu. »Ist das dein Bruder?«
    »Ja.«
    »Ist er zufällig hier?«
    »Nee. Er hat mitbekommen, wohin ich will, und ist mitgefahren.«
    »Was meinst du, soll ich vielleicht mal Hallo sagen?«
    »Klar, du musst. Hey, Joe!«, rief er, bevor ich widersprechen konnte. »Komm mal kurz her.«
    Joe drehte sich um, stieg von seinem Barhocker und kam mit seinem Bier in der Hand zu uns geschlendert. Seinem lethargischen Ausdruck nach zu urteilen, war er ein bisschen betrunken.
    »Hallo, Nora«, sagte er und stieß Toby an, damit er ein Stück rutschte und Joe sich neben ihn setzen konnte. »Toby hat mir erzählt, dass du in der Stadt bist.«
    »Danke«, erwiderte ich und wurde sofort rot. Eigentlich hatte Joe nichts gesagt, wofür ich mich bedanken sollte. Aber früher hatte ich für Joe geschwärmt. Ich denke, dass ich am Ende aufgab und mit Toby ausging, lag nicht zuletzt daran, dass er Joe ähnlich sah. Natürlich war Joe viel zu alt für mich gewesen, und Toby war zumindest eine Art Mini-Joe – nur ohne die grüblerische Ausstrahlung und die künstlerische Neigung. Toby muss das gewusst haben, denn sobald sein Bruder auftauchte, verschlug es mir immer die Sprache.
    »Was führt dich hierher? Habt ihr schon Zehnjähriges?Oder hat die Polizei dich herbestellt, um dich wegen Rose zu befragen?«
    Bevor ich antwortete, musterte ich Joe einen Moment lang. Er hatte noch dieselben braunen Augen und schwarzen Brauen wie damals, war aber ein bisschen rundlicher, und die einst wie gemeißelten Züge waren durch kleine Fettpolster aufgeweicht. Sein Gesicht wies eine – wenn auch entfernte – Ähnlichkeit mit dem älteren Elvis auf. Unwillkürlich fragte ich mich, wie Rose sich wohl gehalten hätte, wie sie wohl heute aussehen würde, wenn sie es bis in ihre Dreißiger geschafft hätte.
    »Nein«, antwortete ich schließlich. »Ich besuche Charlotte Hemsworth.«
    »Das ist super. Wie lange bleibst du?«
    »Weiß ich noch nicht.«
    »Wo wohnst du jetzt?«
    »Nord-Virginia.«
    »Virginia! Was in aller Welt machst du da?«
    »Ich unterrichte Töpfern am Community College.«
    »Ah. Töpfern.« Immerhin schien dieser Teil Joes Aufmerksamkeit zu erregen. »Das ist super. Ich habe seit Jahren keine Skulpturen mehr hergestellt, aber ich wünschte, ich hätte weitergemacht.«
    »Ich erinnere mich an einige interessante Stücke«, sagte ich zögerlich.
    »Ja, klar!« Joe schnaubte verächtlich. » Stücke! Schrott, meinst du wohl eher?«
    Ich hatte keine Ahnung, wie ich reagieren sollte. Mir hatten Joes Tierfiguren aus Holz und Metall gefallen, wie Kindern eben grundsätzlich alles gefällt, was mit Tieren zu tun hat. Außerdem wusste ich nicht, ob er beleidigt war, weil ich seineWerke »Stücke« nannte, oder ob ich beleidigt sein sollte, weil er so patzig wurde.
    »Das mit Rose ist ziemlich schrecklich, oder?«, fragte Joe nach einer Weile.
    »Ja.«
    »Armes Ding.« Er schüttelte den Kopf und starrte in sein Bierglas. »Und ihre armen Eltern.«
    »Toby hat gesagt, die Polizei habe mit dir gesprochen.«
    Joe hob ruckartig den Kopf und sah Toby an, der weiterhin schwieg. »Ja. Ja, das haben sie.«
    »Was haben sie dich denn gefragt?«
    »Ach, nur ... ob ich sie an dem Tag gesehen habe und ob ich jemanden in der Nachbarschaft weiß, mit dem sie reden sollten. Im Grunde den gleichen Kram wie vor sechzehn, siebzehn Jahren. Sie hatten gehört, dass wir manchmal was zusammen gemacht haben, sie und ich

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