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Rosenrot

Titel: Rosenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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gemordet. Hatte es mit Claudine in Monaco angefangen, die ihn des Geldes wegen genommen hatte, die ihn gezwungen hatte, sich seiner Verletzlichkeit zu stellen, seiner Vergangenheit als Mobbingopfer? ›Ich stieß das Messer in den Leib meiner Geliebten.‹ Hatte sie ihn verraten? Diese merkwürdige Passage in dem Brief: ›Ich und meine Geliebte schufen etwas Schönes – aber die, die mich liebte, verbarg es vor mir, zog das Schöne in den Schmutz und warf es fort.‹ Was hieß das? Es kam ihm ganz grundlegend vor. Ola und Claudine schufen etwas Schönes – die Liebe ganz einfach. So hatte Söderstedt die ganze Zeit gedacht. Das Schöne, was sie zusammen schufen, war die Liebe. Aber dann? Claudine verbarg es vor Ola – was mit Rundqvists Erzählung übereinstimmte, dass sie nur des Geldes wegen bei ihm war. Aber das passte rein sprachlich nicht – und sonst war der Brief sprachlich tadellos. Dieses ›es‹ schien sich eher auf das Schöne zu beziehen, das sie gemeinsam geschaffen hatten. Und sie verbarg doch nicht die Liebe? War es denkbar, dass ›es‹ für Verrat stand? Sie verbarg den Verrat. Aber es war doch wohl das gleiche ›es‹, das am Ende des Satzes wiederkehrte? Und das abschließende ›es‹, das fortgeworfen wurde — war ja ausdrücklich ›das Schöne‹. Das Schöne, was Ola und Claudine geschaffen hatten, schien etwas Konkreteres zu sein als die Liebe. Etwas, was nicht nur in den Schmutz gezogen, sondern auch verborgen und fortgeworfen werden konnte.
    Jesses.
    Arto Söderstedt blickte auf. Norlander und Rundqvist glotzten ihn an.
    »Gast bei der Wirklichkeit«, sagte Viggo Norlander streng.
    »War Claudine schwanger?« fragte Söderstedt.
    Rundqvist sperrte die Augen auf. »Ich habe keine Ahnung«, sagte er.
    Söderstedt war nicht zu bremsen: »Zusammen schufen sie ein Kind, etwas Schönes. Aber sie verheimlichte ihm die Schwangerschaft. Sie ließ das Kind ohne sein Wissen abtreiben. Sie zog das Schöne in den Schmutz und warf es fort. Ein Kind. Ein abgetriebenes Kind.«
    Lars Rundqvist starrte den nicht zu bremsenden Finnlandschweden mit großen Augen an. »Das ist durchaus möglich«, sagte er leise. »Es würde einiges erklären.«
    »Irgendwie hat er davon erfahren, und da begann ein anderes Leben. Ein ganz anderes Leben.«
    »Wir sollten uns jetzt wieder ein wenig beruhigen«, sagte Viggo Norlander wie ein Moderator in einer hitzigen Diskussionsrunde.
    Söderstedt sah geradewegs durch ihn hindurch. »Wir müssen Claudine finden«, sagte er. »Denken Sie einmal nach.«
    Lars Rundqvist dachte nach. Es fiel ihm nicht leicht. Ein vorwärtsgewandtes Leben, das sich plötzlich rückwärts orientieren sollte. Als wäre nur noch ein sehr kleiner Teil des hocheffizienten Gehirns der Erinnerungsfunktion vorbehalten. Er schloss die Augen. »Sie arbeitete in der Bank«, sagte er. »Sie arbeitete in der Bank schräg gegenüber von unserem Büro. Avenue d‘Ostende. Da sind sie sich begegnet. Banque du Gothard Monaco in der Avenue d‘Ostende 19 in Monte Carlo. Sie war an der Kasse. Sie hatte ... einen Goldzahn. Ich erinnere mich noch, weil ein Namensschild an ihrem Kassenschalter stand. Der Text war in dem gleichen Goldton gehalten wie ihr Zahn. Goldschrift, versenkt in eine mattschwarze Metallfläche. Es begann mit Mademoiselle, der Abkürzung Mlle. ›Mlle. Claudine .. .‹ ›MUe. Claudine .. .‹ ›Mlle. Claudine ... Verdurin‹.«
    Lars Rundqvist atmete aus, ein tiefes, schweres Ausatmen, Resultat einer bedeutend größeren Anstrengung, als es ein paar Stunden in der Sporthalle sind. Dann sagte er aufrichtig überrascht: »Ja, ich werd verrückt. Claudine Verdurin.«
    »Danke«, sagte Arto Söderstedt.

15

    Der Tontechniker war ein in die Jahre gekommener Hardrocker. Allem Anschein nach hatte er vier, fünf Tage nicht geduscht. Kerstin Holm begegnete seinem leicht benebelten Blick und sagte sich, dass er nicht eingestellt worden war, weil er reinlich oder weil er clean war, sondern aufgrund seiner Kompetenz. Mehr zu verlangen war nicht angebracht, denn es war allgemein bekannt, dass Roger Rikardsson Schwedens bester Tontechniker im kriminaltechnischen Bereich war. Sein kleines Studio lag in einem stilgerechten Kellerraum in der hintersten Ecke des Polizeipräsidiums. Sie bekam ihre Assoziationen an Graf Dracula nie richtig aus dem Kopf.
    »Vielleicht doch«, sagte Roger Rikardsson, entblößte seine Eckzähne und ließ das Band zurücklaufen.
    Das tat auch Kerstin Holm. Ließ ihr inneres Band

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