Rosentod: Thriller (German Edition)
ist weiß gedeckt. Stoffservietten und das teure Porzellan. Das wird sonst nur an Festtagen verwendet. Sie setzen sich.
Ulla hält sich kerzengerade und isst aufreizend gemächlich. Das Gegenstück zu ihrer Mutter, die hastig die Tomatensuppe schlürft, um gleich danach den Fisch aufzutragen und buchstäblich in sich hineinzustopfen. Dass sie nur noch mit Kräutern anstatt mit Salz würze, erzählt sie mit vollem Mund, ohne dabei auch nur eine Sekunde lang vom Essen abzulassen. Ob ihre Tochter denn zu schätzen wisse, wie ausgezeichnet sie noch koche? In ihrem Alter.
Ulla nickt bloß, kaut langsam und methodisch und lässt keinen Bissen übrig.
Beim Dessert beginnt das übliche Spiel. Fragen über Fragen. Wie es ihr gehe? Privat? Beruflich? „Ich habe dein Bild in der Zeitung gesehen. Was ist denn jetzt mit dieser vermissten jungen Frau? Ist sie noch am Leben?“
Ulla fehlt jegliche Lust, über ihren Job zu reden.
Also Themenwechsel. Sie reden über Mamas Abmagerungskur. Mit ärztlicher Beratung, Körperfettmessung, Vitaminshakes und so. Eine brillante Idee, meint Ulla. Daraufhin gehemmtes Schweigen. Eine eigenartig schmerzvolle Stille.
„Also, was willst du von mir?“, prescht Ulla endlich vor. „Los. Rede.“
„Was würdest du sagen, wenn ich die Wohnung hier aufgebe?“
„Wie bitte?“
„Du weißt, wie einsam ich bin, seit du so weit weg bist. Aber das ist jetzt vorbei.“
„Tatsächlich?“
„Ich habe einen Mann kennengelernt.“
„Einen Kerl? Du bist Baujahr 1949.“
„Und damit im besten Alter. In letzter Zeit war ich viel auf Reisen. Dabei lernte ich Paul kennen. Einen Professor. Er unterrichtet an einer Fachhochschule. Ein reizender Mensch, du wirst sehen.“
„Lass mich da raus, Mutter.“
„Es läge mir so viel daran, dass du ihn magst.“
„Ich kenne ihn doch gar nicht.“
„Das will ich eben ändern.“
„Kein Bedarf. Das ist dein Ding, nicht meines.“
„Ach, gönn mir doch mein Glück. Es ist mir so wichtig, dass du mich verstehst. Ich weiß, du bist ein gutes Kind.“
„Bin ich nicht, Mutter“, behauptet Ulla trotzig und schiebt den Nachtisch zur Seite.
„Aber Ulla! Das ist dein Lieblingsdessert. Panna cotta.“
Ulla ist der Appetit vergangen. Gründlich.
„Und ich habe mir solche Mühe gegeben“, schluchzt die etwas mollige pensionierte Krankenschwester theatralisch, schraubt sich hoch, schlurft zu ihrer Tochter, bückt sich und streicht ihr durchs Haar. „Du wirst deine arme, alte Mutter doch nicht dafür hassen, dass sie noch etwas fordert von diesem Leben? Also iss.“
„Jetzt hör endlich auf mit dieser Scheiße“, zischt Ulla unwirsch, stößt die Hand ihrer Mama zur Seite und steht auf.
„Was machst du? Du willst doch nicht etwa abhauen?“
„Und ob.“
„Das tust du mir nicht an.“
„Du kennst deine Tochter“, seufzt Ulla genervt. „Also gib das Dessert in den Kühlschrank, hol den Cognac aus dem Schrank und erzähl mir mehr von deinem Prinzen. Ich warte im Wohnzimmer. Auf der Couch.“
***
Fünf Stunden später in Leoben, Lerchenfeld.
Das mehrstöckige Gebäude ist eines von fünf baugleichen Riesenkästen mit Aussicht auf die Bundesheerkaserne. An der Fassade bröckelt der Verputz. Das Stiegenhaus gehört dringend einmal ausgemalt.
Mit angehaltenem Atem hockt Chefinspektor Joe Maringer vor einer Haustür in der vierten Etage. Zwei Kriminalbeamte lehnen mit gezogenen Waffen links und rechts an der Wand. Derweil knackt Maringer lautlos das Türschloss. Kaum hat er sein Werkzeug weggepackt, erhebt er sich, zieht ebenfalls seine Knarre und gibt den beiden ein Zeichen. Tür auf und hinein ins Vergnügen.
Der vor dem Fernseher lümmelnde Nigerianer kommt gar nicht mehr dazu, nach seinem Revolver zu greifen. „Fuck you“, brüllt er und schlägt wild um sich, als ihn Maringer niederringt und fesselt.
Pro forma beginnen sie mit der Hausdurchsuchung. Ein gut geplantes Showprogramm. Das Heroin ist schließlich genau dort, wo es laut Auskunft ihres Informanten sein muss. In der Kleidertruhe, verborgen unter einem Berg übelriechender Schmutzwäsche.
So ein Ferkel. Mit gerümpfter Nase betrachtet Maringers jüngster Assistent die kotbefleckte Unterhose auf dem Gipfel des Wäschebergs, stülpt sich Einweghandschuhe über die Hände, dreht angewidert den Kopf zur Seite, greift zwischen die Textilien und birgt, was zu bergen ist.
„Na, was haben wir denn da?“, fragt der Chefinspektor, als ihm der Kollege zwölf plastikverschweißte
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