Rosentraeume
um ihre Männerwelt hinter sich zu lassen.
»Mir ist kalt.« Joan zitterte. »Als ich den Sonnenschein gesehen habe, habe ich nicht daran gedacht, einen Umhang mitzubringen.«
»Ich werde Euch einen holen«, meinte Glynis. »Selber brauche ich auch einen.«
Joan fuhr mit der Hand über den weichen Samt. »Ich habe dich noch nie damit gesehen. Er ist sehr hübsch!«
»Er hat meiner Mutter gehört«, erklärte Brianna. Als sie an der Tribüne ankamen, leuchteten die bunten Kleider der Frauen. Der Wettkampf, der hier stattfand, war mindestens genauso erbarmungslos wie der auf dem Turnierfeld.
Königin Philippa sah atemberaubend aus in einem Kleid aus Goldbrokat. Sie war nach der letzten Mode gekleidet, mit einem hoch aufgetürmten Kopfputz, von dem ein durchsichtiger azurblauer Schleier bis zu ihren Füßen mit den Brokatpantöffelchen fiel. Die junge Prinzessin Joanna trug ein fast identisches Kleid, sie genoß die üppigen Komplimente, die man Mutter und Tochter wegen ihrer Roben machte.
Joan beugte sich zu Brianna und flüsterte: »Isabel sieht aus, als hätte sie Zitronen gelutscht.«
»Warum um alles in der Welt hat sie nur eine so entsetzliche Farbe gewählt?« fragte Brianna und blinzelte ungläubig, als sie das gallengrüne Kleid betrachtete.
»Weil ich ihr gesagt habe, es sei Edmunds Lieblingsfarbe, natürlich.«
»Du bist schrecklich«, meinte Brianna begeistert. Wie konnte sie böse auf Joan sein, wenn sie so viel Witz besaß ? Kein Wunder, daß Christian Hawksblood sich von ihr angezogen fühlte, man mußte sie mögen.
Die Logen waren erhöht aufgebaut worden, damit die Zuschauer eine ungehinderte Sicht auf den Turnierplatz hatten, der hundert Fuß in der Länge und fünfzig Fuß in der Breite maß. Das muntere Plappern und Lachen verstummte ein wenig, als die Herolde in ihrer königlichen Livree mit goldenen Trompeten über den Platz zu den Zelten und Pavillons ritten und riefen: »Die Kämpfer sollen sich bereit machen!«
Hinter den Herolden ritten der Feldmarschall, die im Rang niedriger stehenden Marschälle, die für die einzelnen Wettkämpfe zuständig waren, und dann die Sergeanten, die für Ordnung sorgen sollten, alle in prachtvollen Uniformen. Hinter ihnen ritt der Jongleur, der mit seinem Schwert Kunststücke vollführte. Der Feldmarschall hob seinen weißen Stab. »Bringt die Kämpfer auf das Feld!«
Die Damen in ihren Logen und die Zuschauer, die sich hinter den Palisaden drängten, hielten alle den Atem an und jubelten dann laut, als die Kämpfer zu zweit nebeneinander einherritten. Brianna fand, daß sie noch nie in ihrem Leben einen so prächtigen Aufmarsch gesehen hatte. Sie hoffte, daß es ihr gelingen würde, dieses prächtige Schauspiel auf ihr Pergament zu bannen.
Die Farben der seidenen Röcke der Ritter, die sie über den Rüstungen trugen, waren Rot, Kobalt, Pfauenblau, Jade, Ocker, Silber und Schwarz. Auf jedem der Überwürfe prangte ein Abzeichen, wie zum Beispiel Löwe, Adler, Leopard oder Drache. Die Pferde hatten dazu passende Satteldecken, die im Wind flatterten.
Der König, in Azur und Gold, ritt neben Prinz Edward, der völlig schwarz gekleidet war. Der goldene Drachen von Wales mit der Flammenzunge sah aus, als wolle er alles verschlingen, das sich ihm in den Weg stellte. Hinter diesen beiden ritt Lionel, Herzog von Clarence, in strahlendem Kobaltblau. Das Haar des jungen Riesen fiel bis auf die Schultern herab, und an seiner Seite befand sich sein Knappe Robert de Beauchamp, gleich groß wie er, in einem aquamarinfarbenen Rock, der zu seinen Augen paßte.
Das nächste Paar bildeten zwei Kämpen, die ihre Ritterschaft mit Feuer und Schwert erworben hatten, Warrick und der Ritter der Königin, Sir Walter Manny. Sie trugen die Farben Grün und Silber und ergänzten einander.
Christian Hawksblood ritt zusammen mit Joans Bruder Edmund von Kent auf das Feld. Natürlich hatte Edmund die Nacht nicht in einem Dirnenhaus verbracht, sondern war seit drei Tagen beim Training und sah jetzt frisch, jung und sehr ungeduldig aus in seinem purpurroten Rock. Neben ihm ritt Christian Hawksblood auf einem weißen Schlachtroß, er trug einen schlichten weißen Rock mit einem roten Kreuz, dem Symbol der Tempelritter. Hinter ihnen kamen noch sechsundzwanzig Paare, insgesamt zählte man sechzig Reiter.
Als der Zug an den Damen vorbeikam, ließen alle ihre Pferde tänzeln und kurbettieren, die Damen warfen Blumen, Bänder und Handschuhe. Brianna entdeckte den gelben
Weitere Kostenlose Bücher