Rosentraeume
reden mit Joan. Sie sah so verloren aus und äußerst zerbrechlich. Er trat neben sie, als sie zu ihrem Pferd ging. »Seid Ihr müde, meine Lady?«
»Ein wenig«, gestand sie mit matter Stimme.
»Eine Reise mit den Ochsenkarren ist eine Strapaze, aber wir haben heute kein weites Stück mehr vor uns.« Aufmerksam betrachtete er ihr Gesicht, ob sie sich nicht doch zu ihrem umwerfenden Lächeln entschloß.
»Eure Sorge um mein Wohl ist sehr freundlich, Christian! Wo werden wir heute abend übernachten?« wollte sie wissen.
Er legte die Hände um ihre schmale Taille und hob sie in den Sattel. »In Berkhamsted«, antwortete er.
Joans Augen weiteten sich voller Hoffnung.
»Edward erwartet Euch dort!« flüsterte er.
Joan schlang die Arme um seinen Hals und gab ihm einen Kuß auf die Wange. Endlich kam ihr Lächeln zum Vorschein, beinahe so wie die Sonne, die hinter einer Wolke hervortritt.
Brianna wäre beinahe gestolpert, als sie die beiden sah. Eifersucht brannte in ihren Adern wie grünes Feuer! Joan besaß nicht den Scharfsinn, mit dem Brianna ausgestattet war. In diesem Augenblick hätte Brianna sie am liebsten erdrosselt.
Paddy half Brianna beim Aufsitzen, dann nahm er das Frettchen unter den Arm und ging zu Adele. Die beiden unterhielten sich fröhlich und angeregt, und der irische Knappe blieb getreulich an Adeles Seite.
Brianna empfand für niemanden mehr einen Funken von Zuneigung. Es half ihr auch nichts, als sie sah, daß Ali neben Glynis herritt. Sie hatte keine andere Wahl, als sich Joan anzuschließen. Plötzlich glaubte sie, ihren Ohren nicht zu trauen. Ihre Freundin sang! Irgend etwas in Briannas Innerem brach in hundert Scherben. Sie öffnete den Mund, und dann überstürzten sich ihre Worte. »Joan, es ist höchste Zeit, daß jemand dich einmal wegen deines Benehmens zur Verantwortung zieht. Du flirtest mit jedem Mann, der in deine Nähe kommt. Das läßt dich aussehen wie ein schamloses Weib!«
Joan wurde mit einem Ruck aus ihren Liebesträumen von Prinz Edward gerissen, sie starrte Brianna verständnislos an. »Was willst du damit sagen?«
»Mich kannst du mit deinem engelhaften Unschuldsblick nicht beeindrucken, das ist doch nur Theater. Wenn du schon deine Hände nicht von diesem verdammten Araber lassen willst, dann solltest du wenigstens Verstand genug besitzen, ihn ohne Publikum zu küssen.«
»Aber Brianna, du bist ja eifersüchtig!«
»Eifersüchtig? Das ist doch wohl absurd. Ich bin verlobt.«
»Ich auch«, erwiderte Joan. »Aber das hindert mich nicht, einen anderen zu lieben. Brianna, bist du verliebt in Christian?«
»Du mußt von allen guten Geistern verlassen sein. Hast du denn nicht gehört, wie über ihn geklatscht wird? Er verführt die Frauen so nebenbei, als würde er Pfirsiche pflücken. Mit ihm zu flirten bedeutet, sich in Schwierigkeiten zu bringen.«
»Aber ich flirte nicht mit ihm, Brianna«, behauptete Joan.
»Du weißt ja nicht einmal, daß du dich aufführst wie eine Dirne!«
»Und du benimmst dich so launenhaft wie Prinzessin Isabel. Wie mir scheint, bildest du dir ein, daß die Beauchamp-Brüder dein persönlicher Besitz sind. Kümmere dich ruhig um deine eigene Moral!« wehrte sich Joan.
Die beiden Mädchen funkelten einander an. Dann gab Joan ihrem Pferd die Sporen und schloß zu Glynis, Adele und den beiden aufmerksamen Knappen auf - Brianna trottete einsam hinterher.
Sie sah nichts von der Schönheit ringsum. Normalerweise betrachtete sie die Natur mit dem Auge der Künstlerin, sie liebte das glänzende Grün, das Silber der Birken und die roten Ebereschen. Doch mit jeder Meile, die sie ritten, fühlte sie sich elender. Sie war unglücklich über den Streit mit ihrer besten Freundin. Wut stieg in ihr auf, Wut auf sich selbst und auf den dunklen, gefährlichen Hawksblood. Offensichtlich würde er am liebsten mit ihnen beiden anbändeln, und Joan war viel zu unschuldig, um das zu bemerken.
Das Tageslicht schwand bereits, als die Wagen, die Damen und ihre bewaffnete Eskorte im Außenhof von Berkhamsted eintrafen.
Paddy lud sofort Briannas und Adeles Gepäck vom Wagen, und Lady Bedford führte sie in das Schloß. »Ich hatte keine Ahnung, daß wir hierher kommen würden«, meinte sie, an Paddy gewandt.
»Von hier nehmen wir noch mehr Wagen mit, meine Lady«, antwortete Paddy.
»Oh, ich verstehe«, meinte Brianna. »Und da kommt auch schon dieser schreckliche Kastellan. Ich hoffe, er wird uns wenigstens diesmal vernünftige Zimmer geben. Heute ist er
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