Rosenwahn
einem die schlichtesten Grundkenntnisse zwischenmenschlichen Umgangs fehlen …«, erwiderte Angermüller kühl.
»Na ja, ich sag nur, die Rose unter meinem Schlafzimmerfenster«, gab Ameise mit süffisantem Unterton zurück. Angermüller drehte sich einfach um und ließ ihn stehen.
»Ich glaub aber auch, dass die auf dich steht, die Ruckdäschl«, kommentierte Jansen wenig später, als sie zu ihrem Wagen gingen.
»Dann besuchen wir jetzt mal den Herrn Brecht im Krankenhaus, oder?«, schlug Angermüller vor, ohne auf die Bemerkung seines Kollegen einzugehen.
Der Parkplatz vor der Klinik war mit Autos ziemlich gut gefüllt.
»Sie haben Glück. Der Dr. Brecht hat gerade eine Pause. Ich lasse ihn rufen«, sagte die nette Dame am Empfang. Angermüller sah sich in der modernen, hellen Eingangshalle um, in der sich auffällig viele Patienten an zwei Krücken bewegten. Die Klinik war auf Orthopädie spezialisiert, wie er auf einem Schild gelesen hatte. Es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. Nach wenigen Minuten stand der Arzt vor den beiden Beamten. Er war ein großer, schlanker Mann, etwa in Angermüllers Alter. Der karge Rest seines bereits ergrauten Haares war kurz geschoren und sein Gesicht von tiefer Bräune. Er strahlte auf eine Weise etwas Asketisches aus.
»Was gibt es denn so Wichtiges, dass die Staatsmacht mich hier bei der Arbeit behelligen muss? Hab ich was auf dem Kerbholz?«, fragte er mit sarkastischem Unterton.
»Das wissen wir nicht, Herr Brecht«, antwortet Angermüller ruhig. »Ihr Gärtner hat heute Morgen auf Ihrem Grundstück eine Leiche ausgegraben. Dazu hätten wir ein paar Fragen.«
»Ach du Schiete!« Der Mann schien zumindest ziemlich überrascht zu sein. »Meine Exfrau ist es aber nicht, ich schwöre«, setzte er dann mit einem kurzen, trockenen Lacher hinzu. »Dann setzen wir uns doch lieber mal. Wie wär’s in der Cafeteria? Ich brauch erst mal ’nen Kaffee.«
Das Krankenhaus lag etwas erhöht über dem Strand. Von ihrem Tisch am Fenster der Cafeteria konnten sie über die anschließende Grünanlage bis zur Ostsee schauen. Vor die Sonne hatte sich eine dünne, violettgraue Wolkenschicht geschoben, die das Wasser gefährlich dunkelgrün aussehen ließ. Die Fahnen unten am Strand hingen schlaff an ihren Masten.
»Vor sechs Jahren, als wir heirateten, sind wir am Kremper Weg eingezogen«, antwortete der Arzt auf die Frage, wie lange er schon an dieser Adresse wohne. »Wenn sie schon von Hamburg in dieses Kaff zieht, hatte Viola gesagt, möchte sie wenigstens anständig wohnen. Ist zwar kein Vergleich mit ihrer elterlichen Villa in Blankenese, aber eine ganz schöne Lage, ja.« Dr. Brecht rührte etwas abwesend in seinem Kaffeebecher und sah hinunter zum Wasser.
»Und jetzt wohnen Sie da allein, haben wir gehört?«
»Ach ja, haben Sie das gehört?« Er sah sich in der Cafeteria um. Neben ihnen am Tisch saßen zwei ältere Paare bei Kaffee und Kuchen. Als sie Dr. Brechts Blick bemerkten, grüßten sie freundlich und wollten sicherlich zu gern wissen, mit wem er da worüber redete. »Na ja, hier bleibt eben nichts verborgen. Fast 20 Jahre jünger als Sie, Herr Doktor, also man ehrlich, das konnte doch nicht gut gehen, meinte die Frau in der Wäscherei erst vor Kurzem zu mir. Und hier am Nebentisch sitzen auch schon wieder so ein paar knauserige Neustädter, die jeden Nachmittag hier billig Kaffee trinken, und hören zu.«
Trotz dieser Vermutung schien der Arzt es nicht für notwendig zu halten, seine Stimme zu dämpfen, und ließ wieder einen seiner kurzen Lacher hören. »Viola ist vor zwei Jahren endgültig ausgezogen. Inzwischen sind wir geschieden. Und ich hab’s irgendwie noch nicht auf die Reihe gekriegt, mich endlich von dem Schuppen zu trennen.«
Wenn er auch versuchte, witzig zu sein, der Mann klang nicht gerade glücklich. Er schien unter der Trennung ziemlich gelitten zu haben, dachte Angermüller. Vielleicht war es auch nur gekränkte Eitelkeit. Für einen Mann steckte immer ein Stück Niederlage darin, wenn eine Frau sich von ihm trennte. Er selbst hatte eine Ahnung von diesem Gefühl.
»Und der Garten am Haus, war der gut in Schuss oder haben Sie den damals selbst angelegt?«
»Dazu kann ich leider nicht viel sagen. Meine Exfrau hat sich um all diese Dinge gekümmert.«
»Das heißt, Sie wissen auch nicht, was dort so wächst, welche Pflanzen erst neu eingesetzt wurden und so weiter?«
»Tut mir leid, da kann ich Ihnen nicht helfen. Für Gartenarbeit
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