Rosenwahn
eine alte Frau, eine Nichte der verstorbenen Besitzerin, hat dort hin und wieder nach dem Rechten gesehen und überhaupt nichts bemerkt. Das Grundstück in Neustadt hat ein Arzt gemietet, und wir haben vorhin bereits festgestellt, dass der sich von Mitte April bis Mitte Juni des vorletzten Jahres zu einem Hilfseinsatz in Kalkutta aufgehalten hat. Und um den Riesengarten hat sich bis vor drei Jahren ungefähr seine inzwischen von ihm geschiedene Frau gekümmert. Erst seit letztem Herbst gibt’s wieder so eine Art Gärtner. Deshalb ist dem Bewohner auch der Rosenbusch, der da ja plötzlich aufgetaucht sein muss, überhaupt nicht aufgefallen.«
»Was sagt die Kriminaltechnik? Gibt es irgendwelche signifikanten Spuren?«
»Leider haben die Kollegen an keinem der beiden Orte irgendein täterrelevantes Indiz gefunden. Wir schließen daraus, dass die Opfer wirklich nur auf diesen Grundstücken begraben wurden, sich der oder die Täter aber nicht mit ihnen dort aufgehalten haben und sie höchstwahrscheinlich auch woanders getötet worden sind. Im Übrigen haben wir bisher überhaupt noch keinen Hinweis auf die Todesursache.«
»Wie sieht’s aus mit einem ausländerfeindlichen Hintergrund?«
»Liegt im Rahmen des Möglichen, würde ich sagen«, bestätigte Angermüller. »Man weiß ja nie, auf welche kranken Ideen die Jungs von der rechten Truppe kommen. Und auch so eine Art Bestattungsritual mit dem Rosenbusch würde dazu passen.«
»Für mich sieht das eher nach einem Einzeltäter aus«, mischte sich Jansen ein. »Irgendein Gestörter, der mal von einem türkischen Mädchen zurückgewiesen wurde, oder einer, der auf türkische Jungfrauen steht. Irgend so ein Perverser halt.«
»Egal wie«, meinte Angermüller. »Unter den neuen Gegebenheiten sollten wir den jungen Mann, von dem sich Meral Durgut damals so schnell getrennt hat, auf jeden Fall auch als Zeugen vernehmen. Zu diesem Zeitpunkt würde ich gar nichts ausschließen.«
»Wie wollt ihr jetzt vorgehen?«
»Als Erstes werden Jansen und ich die Eltern Aksoy aufsuchen. Vielleicht ist es hier ja einfacher als im Fall Durgut, die letzten Tage vor dem Verschwinden des Mädchens zu rekonstruieren. Und dann werden wir uns um diesen jungen Mann kümmern.«
»Schafft ihr das mit eurer Besetzung?«
»Wieso, hast du Verstärkung für uns?«
Bedauernd schüttelte Appels seinen Kopf. »Ihr wisst ja, dass einige Kollegen Urlaub haben, ein paar sind krank und bei unserer dünnen Personaldecke …«
»Ich versteh schon«, unterbrach Angermüller seinen Chef. »Aber nett, dass du gefragt hast.«
»Gut«, Harald Appels stand auf. »Dann gute Verrichtung weiterhin. Wenn ihr irgendwas von der Staatsanwaltschaft braucht – Durchsuchungsbeschluss, Pressekonferenz oder so was – kann das auch gern mit dem entsprechenden Nachdruck über mich laufen. Ich höre von euch.«
Diese Woche sah es mau aus mit Aufträgen für Deryas Köstlichkeiten. Einerseits natürlich angenehm, etwas mehr Freizeit zu haben. Für heute Abend hatte sie ihre Schwester und Aylin eingeladen und konnte sich tagsüber um den Hausputz kümmern und tausend andere Kleinigkeiten, die auch noch erledigt werden wollten. Andererseits aber kam auch kein Geld herein, sodass Derya schon wieder mit leichter Panik in die Zukunft schaute. Nicht mehr lange, dann begannen die großen Ferien und viele Kunden waren verreist. Auch sie würde, wie jedes Jahr, in der zweiten Ferienhälfte mit Koray in der Türkei sein. Südlich von Çanakkale besaßen ihre Eltern eine kleine Ferienwohnung am Meer. Sie freute sich auf die drei Wochen Sonne und Nichtstun. Wenigstens würde sie dieser Urlaub, bis auf die Flüge, nicht viel kosten, denn ihre Eltern ließen es sich natürlich nicht nehmen, Tochter und Enkel nach allen Regeln der Kunst zu verwöhnen.
Sie zog mit dem Staubsauger weiter. In Korays Reich lag wie immer ein buntes Sammelsurium von Kleidungsstücken, Büchern, CDs und anderen Dingen auf dem Fußboden herum, und Derya sah nicht ein, dieses Chaos beseitigen zu sollen. Dafür konnte ihr Herr Sohn schon selbst sorgen. Badezimmer, ihr Schlafzimmer, Wohnzimmer und die große Küche waren geputzt. Eigentlich hatte sie sich eine Belohnung verdient, dachte Derya. Und dann fiel ihr das Café am Ende der Glockengießerstraße ein, wo Friede vor ein paar Monaten Gül mit ihren Freundinnen getroffen hatte. Koray kam heute eh erst am späten Nachmittag aus der Schule, und zum Vorbereiten des Essens für ihre Freundinnen blieb
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