Rosenwahn
können.
»Kommt diese Hülya denn heute auch noch hier vorbei?«
Die Langhaarige zuckte mit den Schultern und nahm einen Schluck aus ihrem Saftglas. Das perfekte Make-up ihrer Lippen blieb dabei vollkommen unversehrt.
»So spät kommt die bestimmt nicht mehr«, antwortete ihre Freundin.
»Würdet ihr so nett sein und mir vielleicht ihre Handynummer geben? Das wäre echt super!«, lächelte Derya die beiden an. Sie sahen sich kurz fragend an, und dann nahm die Langhaarige das Handy in Metallicrosa vom Tisch auf, tippte mit ihren Fingern unter den gefährlich langen Nägeln darauf herum und diktierte Derya die Nummer, die diese sich schnell auf die Serviette notierte.
»Vielen, vielen Dank! Das war wirklich nett von euch«, bedankte sich Derya überschwänglich bei den beiden, die nur kurz nickten und dann wieder die Köpfe zusammensteckten. Ob sie sich wohl über mich lustig machen?, dachte Derya, als sie kurz darauf albernes Gelächter hörte. Sie stieg in ihren Wagen. Aber eigentlich war es ihr egal. Waren eben einfach zwei ziemlich dumme Puten.
Der kleine Mann saß auf der Sesselkante, ließ einen tiefen Seufzer hören und legte seinen Kopf in beide Hände. Er hatte gerade erfahren, dass man seine Tochter Fatma gefunden hatte. Angermüller und Jansen saßen im Wohnzimmer der Familie Aksoy, einem übersichtlich möblierten Raum mit Couchgarnitur und Fernseher, der nicht unbedingt Gemütlichkeit ausstrahlte. Sie nippten hin und wieder am Tee, der in den typischen Gläschen mit Goldrand vor ihnen stand und den sie nicht hatten ablehnen können. Vielleicht, auch um sich von seinem Kummer abzulenken, hatte Herr Aksoy darauf bestanden, ihnen das traditionelle türkische Gastgetränk zuzubereiten.
»Allah, Allah! Was für ein Unglück!«, sagte er immer wieder kopfschüttelnd. Er war bereits Rentner und sah bang dem Nachhausekommen seiner Frau entgegen, die in einer Gebäudereinigungsfirma arbeitete. »Was soll ich nur Fatmas Mama sagen?«
»Wir können auch ein anderes Mal wiederkommen, wenn Sie jetzt lieber erst einmal mit ihrer Frau allein sprechen wollen«, schlug Angermüller dem sichtlich aufgelösten Vater vor.
»Nein, bitte bleiben Sie. Wir müssen auch wissen, wer das getan hat«, wehrte der Vater ab. »Fatma, unsere jüngste Tochter. Sie war ein liebes Kind.« Er hatte zwar einen starken Akzent, sprach aber recht flüssig Deutsch. »Ich bin nur sehr traurig.«
An der Wand neben dem Fernseher gab es eine stattliche Sammlung von Familienfotos. Auf einer Truhe davor stand das Foto eines jungen Mädchens – Fatma, wie Angermüller sofort gesehen hatte –, und daneben ein frischer Strauß Rosen.
»Das verstehen wir doch, Herr Aksoy«, versicherte Angermüller und auch Jansen nickte.
»Sagen Sie, hatte Ihre Tochter jemals Probleme mit Leuten, die etwas gegen Ausländer haben, mit irgendwelchen Neonazis? Wurde sie angepöbelt oder bedroht?«
»Vielleicht manchmal dummer Ausländerwitz, ja. Aber sonst nicht. Jedenfalls weiß ich nicht.«
Die Wohnungstür wurde aufgeschlossen und Herr Aksoy fuhr bei dem Geräusch sofort von seinem Platz hoch. »Entschuldigung! Meine Frau kommt«, sagte er und eilte in den Flur. Die Kommissare hörten ihn schnell und atemlos auf Türkisch reden und dann ertönte ein hoher, lang gezogener Klagelaut, der Angermüller bis tief ins Innere fuhr. Durch die geöffnete Wohnzimmertür sah er eine Frau zwischen vollen Einkaufstüten auf dem Fußboden knien. Eine der Tüten war umgekippt, Äpfel kullerten heraus, neben ihr lagen ein paar Auberginen. Sie achtete nicht darauf, schluchzte herzzerreißend und ließ ihren Tränen freien Lauf. Jansen und Angermüller rutschten unbehaglich auf dem Sofa hin und her.
Langsam ging das Schluchzen in ein Wimmern über. Herr Aksoy streichelte seiner Frau über den Kopf und sprach beruhigend auf sie ein. Nach einer Weile erhob sie sich schwerfällig. Ihr Mann ging zurück ins Wohnzimmer. »Sie kommt gleich.«
»Sollen wir jetzt nicht doch lieber gehen?«, fragte Angermüller noch einmal, aber da kam Frau Aksoy schon herein. Sie zog sich ihr Kopftuch glatt und der Kommissar konnte sehen, wie schwer es ihr fiel, die Tränen zu unterdrücken. Trotzdem nahm sie sehr beherrscht die Beileidsbekundungen entgegen.
»Bitte bleiben Sie, fragen Sie«, forderte sie die Beamten auf und setzte sich in den Sessel neben ihrem Mann, der ihr beruhigend seine Hand auf den Arm legte. »Ich will helfen. Wir wollen wissen, wer Fatma das getan hat.« Sie tupfte
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