Rosenwahn
Jetzt wissen wir es«, seufzte Friede betrübt. »Na dann, halt die Ohren steif, Mädchen.«
»Ach Friede, es war gut, einfach mit dir zu reden. Das hat mir wirklich geholfen, vielen Dank«, versicherte Derya noch einmal. »Ich hab Ronald schon gesagt: Ihr müsst unbedingt mal wieder zu mir zum Essen kommen!«
»Das machen wir! Und wenn was ist – du weißt, du kannst jederzeit anrufen oder vorbeikommen.«
Georg gab im Büro Bescheid, dass er ein wenig später zum Dienst erscheinen würde, und fuhr mit den Zwillingen zum Frühstück nach St. Jürgen, wo Astrid schon ungeduldig auf die Kinder wartete. Sie hatten unterwegs frische Brötchen besorgt und gönnten sich zur Feier des Tages an diesem Donnerstag ein richtiges Sonntagsfrühstück. Julia und Judith erzählten von ihren Erlebnissen mit ihrer Schulklasse im Watt. Auch wenn Angermüller das meiste schon am Vorabend gehört hatte, genoss er diesen Moment harmonischen Familienlebens.
Dass Astrid milder als sonst gestimmt war, machte er allein daran fest, dass sie ihm weder Brötchen noch Belag in den Mund zählte und auch nicht kritisierte, dass er gestern die Mädchen einfach bei sich hatte übernachten lassen und sie erst im Nachhinein darüber informiert hatte. So etwas liebte sie eigentlich gar nicht, sie hatte gern auch bei der Organisation des Familienalltags alles im Griff. Angesichts des schlechten Wetters brachten ihn Astrid und die Kinder nach dem Frühstück mit dem Wagen zur Possehlstraße.
»Ade, ihr drei! Ich wünsch euch einen schönen Tag zusammen. Wir sehen uns heute Abend beim Italiener«, verabschiedete sich Angermüller.
»Bis heute Abend, Papa, bei der besten Pizza der Welt!«, rief Judith vom Rücksitz.
»Ja, tschüss bis dahin«, sagte auch Astrid. »19 Uhr und versuch bitte, pünktlich zu sein. Die Kinder müssen morgen wieder früh zur Schule.«
Georg nahm die Ermahnung, die in seinen Augen ohnehin überflüssig war, zerstreut zur Kenntnis und schlug die Autotür zu. Die Pizzeria, die irgendwo am westlichen Stadtrand lag, war Martins Tipp, der mit Astrid und den Kindern schon dort gewesen war, und Angermüller hatte sich im Stillen schon gefragt, was eine kulinarische Empfehlung von Martin eigentlich wert war. In Gedanken bereits halb bei der Arbeit, setzte er mit großen Schritten über die Steinplatten des Weges zum Behördenhochhaus, wo ihm starke Böen die Regentropfen ins Gesicht trieben.
Wie bei Aufrufen an die Bevölkerung zur Mithilfe bei der Aufklärung eines Verbrechens üblich, waren auch diesmal sofort wieder einige Hinweise bei der Lübecker Bezirkskriminalinspektion eingegangen. Bis Mittag zählte man an die 30 davon. Thomas Niemann, der als Erster die Ausbeute sichtete, schüttelte aber nur abwiegelnd den Kopf, als Angermüller und Jansen hoffnungsvoll nach ersten Ergebnissen fragten.
»Paar Scherzkekse, wie immer, und ansonsten leider nichts, was wir noch nicht wussten. Aber kann ja noch kommen.«
»Ich habe noch einen neuen Auftrag für dich«, wandte sich Angermüller an Thomas Niemann. »Recherchier doch bitte mal diese Rosensorte, die wir auf den Gräbern der beiden Mädchen gefunden haben: Rosa alba, Félicité Parmentier. Ist die selten, ist die teuer? Wo bekommt man die hier in der Gegend? All so was halt.«
»Aye, aye Sir!«, salutierte Niemann. »Wie schreibt man das?«
Der Kriminalhauptkommissar buchstabierte und der Kollege verschwand in sein Büro. Das Telefon auf Angermüllers Schreibtisch läutete; der Kriminaldirektor kündigte seinen Besuch an. Er sah gar nicht gut gelaunt aus, als er die Tür zu den Büros von Angermüller und Jansen hinter sich schloss.
»Ich hatte einen Anruf heute Morgen, von Professor
Dr. Alfred Panknin«, begann er ohne große Vorrede, während er von einem Fuß auf den anderen tänzelte. Den angebotenen Stuhl hatte er abgelehnt. »Der Mann war stinksauer. Was habt ihr da mit seinem Sohn veranstaltet?«
»Tss«, machte Jansen nur und drehte angewidert den Kopf weg. Das Thema Panknin war sein wunder Punkt.
»Wir haben nur ganz ordnungsgemäß unsere Arbeit gemacht«, erwiderte Angermüller. »Worüber hat er sich denn beschwert?«
»Dass ihr den Jungen an seinem Arbeitsplatz im Krankenhaus belästigt habt, wo alle Kollegen sofort mitkriegen, dass die Polizei was von ihm will. Dass ihr dann am Nachmittag schon wieder aufgetaucht seid, die Privatsphäre der Familie Panknin gestört hättet, als ob es um die Jagd nach einem Schwerverbrecher ginge, wo ihr den
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