Rosenwahn
erklärte Angermüller. Er zog es vor, beim förmlichen Sie zu bleiben, stellte Jansen vor, und beide zeigten ihre Ausweise.
»Nö«, Ruben schüttelte den Kopf. »Haben sie nicht. Aber worum geht es denn?«
»Wie gesagt, uns interessiert die Félicité Parmentier«, hielt sich Angermüller bedeckt und sagte nichts über den Zusammenhang. »Führen Sie denn hier im Betrieb die Sorte?«
»Wir haben hier fast 80 unterschiedliche Rosen. Die Frau vom Chef ist eine echte Spezialistin für alte Sorten. Und die Félicité ist bei uns Standard. Sollen wir mal im Rosengarten schauen, ob sie noch da ist? Die beste Zeit zum Rosenpflanzen ist natürlich eigentlich im Herbst. Da kauft man sie vorzugsweise wurzelnackt. Aber wenn man’s richtig macht, nimmt es einem die Félicité auch nicht übel, wenn man sie jetzt einpflanzt. Sie gedeiht dann ganz hervorragend.«
War der junge Mann in der Runde am Sonnabend eher schüchtern und schweigsam erschienen, so machte er hier gar nicht den Eindruck und war ganz in seinem Element. Zum Glück legte der Regen gerade eine Pause ein. Sie begaben sich zum Rosengarten, der hinter einem der Gewächshäuser lag. Der Anlage war anzusehen, dass hier jemand mit viel Liebe dabei war: Zum Teil in Kübeln, zum Teil in der Erde gab es nichts als Rosenstöcke, sie wanden sich als Kletterrosen um Bögen und Gitterwände oder reckten sich aufrecht in ihren Beeten, aus denen hier und da eine verwitternde Statue oder ein paar Rosenkugeln hervorlugten. Einige der Pflanzen blühten schon und zeigten die unterschiedlichsten Farbschattierungen, von kräftigem Pink und samtigem Dunkelrot über Pfirsichrosa bis Weiß.
»Schade. Sie müssten in ein paar Wochen hierher kommen. Dann ist das ein einziges Rosenparadies mit einem Wahnsinnsduft – das kann man gar nicht beschreiben!«, schwärmte Ruben.
»Ah, hier haben wir ja ein Exemplar«, sagte Angermüller erfreut, der die Félicité sogleich an ihrem einzigartigen Wohlgeruch erkannt hatte. Diese Pflanze war noch nicht so hoch wie die beiden, die sie auf den Gräbern gefunden hatten, aber auch sie trug über und über die dicken, gerüschten Blüten und neigte sich unter ihrer zartrosa Last.
»Kann man denn an der Wuchshöhe der Rose erkennen, wann sie gepflanzt wurde?«
Ruben schüttelte den Kopf. »Das ist von so vielen Komponenten abhängig, zu welcher Jahreszeit gepflanzt wurde, wie jung die Pflanze war, ob sie regelmäßig beschnitten wurde. Also, das kann man meiner Ansicht nach ohne Hintergrundinformationen nicht erkennen.«
»Werden denn viele Rosen von dieser Sorte verkauft?«, fragte Jansen.
»Unterschiedlich, würde ich sagen«, erläuterte Ruben. »Wir haben hier natürlich eine Riesenauswahl. Da fällt es den Leuten oft schwer, sich zu entscheiden. Viele bevorzugen auch die kräftigeren Farben von Gallica- oder Bourbon-Rosen.«
Er sah sich um.»Zum Beispiel hatten wir letzte Woche bestimmt noch drei von den Albarosen, jetzt ist nur noch eine übrig. Sind sozusagen ganz gut gegangen.«
»Die Pflanze ist also nicht unbedingt eine Rarität, die schwer zu finden ist und selten verkauft wird?«, erkundigte sich Angermüller.
»Na ja, die Félicité ist keine Massenware, aber selten ist sie auf keinen Fall. Für einen Spezialbetrieb wie uns ist sie schon ein Muss. Und wir sind ja nicht die Einzigen, die sie anbieten.«
»Mmh«, machte Angermüller nur.
Ruben räusperte sich. »Warum interessieren Sie sich denn gerade für diese Rose, wenn ich fragen darf?«, erkundigte er sich höflich. Angermüller schaute ihn kurz an und überlegte.
»Die Félicité Parmentier spielt im Fall zweier toter Mädchen eine Rolle, die keines natürlichen Todes gestorben sind, wie wir annehmen müssen«, gab er dann Auskunft.
»Oh, echt?«, sagte Ruben Bartels und schien ziemlich beeindruckt. Stumm betrachtete er den Rosenbusch vor ihnen.
»Claus, hast du noch Fragen? Vielleicht nach der Pflege für deinen Kaktus?«, unterbrach Angermüller die eingetretene Stille.
»Quatschkopp!«, knurrte Jansen. »Keine Fragen mehr.«
»Na dann, vielen Dank für die Informationen, Ruben, und grüßen Sie Ihre Eltern von mir. Ade.«
»Tschüss«, antwortete Ruben geistesabwesend und blieb allein zurück im Rosengarten, während die Kommissare zu ihrem Wagen gingen.
»Noch ’ne Gärtnerei willst du jetzt hoffentlich nicht ansteuern«, machte Jansen seine Meinung zu ihrer Aktion deutlich, als er den Wagen anließ.
»Heute nicht«, beruhigte ihn Angermüller. »Jetzt
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