Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
gelegen: Der Bestatter war tatsächlich schon auf dem Weg nach München – kam ihnen aber noch auf der Straße zwischen Gründl und dem Moor entgegen. Hansen versperrte ihm mit seinem Dienstwagen den Weg und stieg aus, gefolgt von Marlene Ruff, die durch die hintere Seitentür schlüpfte, noch bevor der Wagen ganz zum Stillstand gekommen war.
Hansen stellte sich dem Bestatter kurz vor und fragte ihn, ob die Frau des Toten kurz ihren Mann sehen könne.
»Nein, tut mir leid, wir haben von Frau Dr. Meyer den Auftrag, den Toten ohne Unterbrechung in die Rechtsmedizin nach München zu bringen. Und da kann ich nicht mal eben den Transportsarg öffnen und die Frau reinschauen lassen. Das geht nur im Beisein von Frau Dr. Meyer.«
»Das ist die Rechtsmedizinerin, die Ihren Mann untersucht«, erklärte Hansen, dann wandte er sich wieder an den Bestatter: »Und wo ist sie?«
»Ist schon vorausgefahren, deshalb müssen wir uns jetzt schicken. Sie will wohl gleich anfangen, im Moment ist wohl gerade Platz auf dem Sektionstisch.«
Der Bestatter war im Stress, sonst hätte er sicher nicht so flapsig dahergeredet, nun zuckte er unter Hansens tadelndem Blick zusammen und setzte einen entschuldigenden Dackelblick auf.
»Tja, tut mir leid, Frau Ruff, das scheint jetzt doch nicht zu klappen. Ich rufe aber gleich die Rechtsmedizinerin an. Sie kann mir sicher sagen, bis wann Sie mit Ihren Untersuchungen fertig ist, und dann bringt Sie ein Streifenwagen zu diesem Termin nach München, wie versprochen.«
»Nein, ich fahr jetzt mit«, beharrte sie und sah nicht so aus, als könnte sie etwas von ihrer Meinung abbringen.
»Wie, Sie fahren jetzt mit?«
»Na hier, in diesem Leichenwagen! Da liegt mein Mann drin, da fahr ich mit. Jetzt!«
Der Bestatter sah irritiert zwischen Hansen und Marlene Ruff hin und her.
»Na gut«, sagte Hansen schließlich, »dann nehmen Sie sie bitte mit – und ich schicke Ihren Kollegen mit dem Streifenwagen hinterher. Okay?«
Der Bestatter überlegte noch einen Moment, dann gab er sich einen Ruck und nickte seinem Kollegen zu, der die Tür öffnete und Ruffs Witwe auf dem Beifahrersitz Platz machte.
»Danke!«, rief Hansen dem Bestatter noch nach, aber der war mit säuerlicher Miene schon wieder angefahren.
Nachdem Haffmeyer ihn vor seinem Haus abgesetzt hatte, versuchte sich Hansen noch einmal am Bogenschießen, aber er konnte sich kaum konzentrieren. Sobald er die Augen schloss, um seine Körperhaltung auszurichten, gingen ihm die Bilder des Toten im Moor durch den Kopf – und mehr noch die leidenden Gesichter der beiden Frauen, die Thomas Ruff trauernd hinterlassen hatte.
Schließlich gab er auf und ging nach drinnen. Auf dem Küchentisch lag behaglich ausgestreckt der Kater. Ignaz sah kurz auf, als Hansen den Raum betrat, hielt es aber offensichtlich nicht für nötig, sich zu erheben und vom Tisch zu springen.
»Sch, sch!«, machte Hansen ein paarmal, und Ignaz sah auch interessiert zu ihm hin. Aber als nichts weiter geschah, richtete er sich nur auf und begann sich in aller Ruhe zu putzen.
Hansen ging kopfschüttelnd zum Kühlschrank und holte die Zutaten für ein improvisiertes Nudelgericht heraus. Als er Zwiebeln und Knoblauch klein geschnitten hatte und die Nudeln ins kochende Wasser tat, sah er sicherheitshalber noch einmal zum Tisch hinüber. Ihm huschte ein Lächeln über das Gesicht: Ignaz hatte sich endlich verzogen und war nun wohl irgendwo im Haus unterwegs, wo er nicht weiter störte. Ein flüchtiger Blick zeigte ihm außerdem: Der geöffnete Sahnebecher stand noch immer auf dem Fensterbord, alles schien in bester Ordnung.
Während der Kater durchs Wohnzimmer streifte und sich ein behagliches Plätzchen suchte, wo er sich ein wenig ausruhen konnte, leckte er sich noch die Schnauze sauber. Als ein kurzer Schrei aus der Küche zu hören war und wenig später der neue Mitbewohner durch die Wohnung hetzte, ein großes Küchenmesser in der rechten und den leer geschleckten Sahnebecher in der linken Hand, verdrückte sich Ignaz lieber im Schuppen.
Sonntag, 9. Juni
Willy Haffmeyer holte Hansen am Sonntagvormittag gegen zehn ab. »Hanna hat mich vorhin angerufen«, erklärte er. »Sie hat sich den Fuß gezerrt oder verdreht, jedenfalls tut er ordentlich weh, und heute muss sie passen. Morgen, meinte sie, wird’s aber wohl schon wieder gehen.«
»Oh, das klingt schmerzhaft. Wie ist es denn passiert?«
»Ach, sie macht um diese Jahreszeit immer Gymnastik, um sich
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