Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
Donnerstagnacht mit dem Gesicht im Wasser – das sieht dann sehr schnell nicht mehr besonders schön aus.«
»Mit dem Gesicht im Wasser … Ist er denn ertrunken? Hier, im Moor? Haben Sie nicht gesagt, er wurde von der Lechbrücke gestoßen?«
»Davon gehen wir noch immer aus.«
»Und dann haben die ihn hierhergeschafft?«
»Vermutlich«, sagte Hansen. »Wie, wann und womit – das alles müssen wir noch herausfinden.«
»Tut mir leid, dass ich am Donnerstagabend nichts mehr mitbekommen habe, weil ich so früh im Bett war.«
»Machen Sie sich keine Gedanken, Frau Wontarra, wir finden Herrn Ruffs Mörder. Und jetzt gehen Sie am besten nach Hause und ruhen sich etwas aus. Wenn wir noch Fragen haben, melden wir uns – und falls Ihnen irgendetwas einfällt, sagen Sie mir einfach Bescheid, ja? Egal um welche Uhrzeit.«
Sie nickte und wirkte nun fast erleichtert, dass er sie nicht zu Ruffs Leiche durchgelassen hatte. Er begleitete sie bis zum Absperrband und ging noch ein paar Schritte den Weg entlang neben ihr her, bevor er sie mit einem Händedruck und ein paar warmen Worten verabschiedete. Er sah ihr kurz nach, dann kehrte er zur Absperrung zurück, blieb vor Kerricht stehen und sah ihn ernst an.
»War’s das, Chef?«, murmelte Kerricht schließlich.
»Was meinen Sie damit?«
»Werfen Sie mich jetzt aus der Soko?«
»Ich werde die Soko nicht leiten, also habe ich das nicht zu entscheiden.«
Kerricht senkte den Blick.
»Sie wissen schon, Herr Kerricht, dass das vorhin sehr unprofessionell war?«
»Ja, ich …«
»Und Sie werden bei den weiteren Ermittlungen darauf achten, dass Sie kein Gespräch allein mit Frau Wontarra führen, verstanden?«
Kerricht sah hoch, dann begriff er, was Hansen damit angedeutet hatte. Er nickte eifrig, und ein dankbares Lächeln huschte über sein Gesicht.
»Gut«, sagte Hansen und schlüpfte unter dem Trassierband hindurch, »und jetzt kommen Sie mit. Ich will wissen, was Kleinauers Leute bisher herausgefunden haben, damit wir uns überlegen können, was als Nächstes zu tun ist.«
Benedikt Huthmacher saß im Büro von Franz Stiller, dem Polizeipräsidenten, und hörte seinem Chef beim Telefonieren zu. Der Leiter des Präsidiums Schwaben Süd/West hatte den Lautsprecher eingeschaltet, und ab und zu verständigten er und Huthmacher sich über die angesprochenen Punkte mit kleinen Gesten.
Am anderen Ende der Leitung saß Joseph Fernthaler, Stillers Gegenstück vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd, und die beiden kartelten gerade miteinander aus, wie die gemeinsame Ermittlungsgruppe und die etwas komplizierten Abläufe am besten geregelt werden konnten.
Da die Leiche noch nicht gefunden war, als der Startschuss für die Ermittlungen zu Ruffs Verschwinden gegeben wurde, hatte das Ganze zunächst als Vermisstensache begonnen – und weil der Vermisste in Lechbruck wohnte, war die für Lechbruck zuständige Staatsanwaltschaft Kempten Herrin des Verfahrens. Der Tote wiederum wurde auf Premer Gemarkung entdeckt, und allem Anschein nach war er auch am Premer Lechufer zu Tode gekommen – damit wiederum wären die Ermittlungen Sache des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd mit Sitz in Rosenheim und der nächstgelegenen Kriminalpolizeiinspektion in Weilheim.
Huthmacher und Stiller waren heilfroh, dass ihr neuer Mitarbeiter Hansen offenbar auch im Gespräch mit den Kripokollegen vor Ort keinen Ehrgeiz gezeigt hatte, die Soko unbedingt selbst zu leiten – und weil auch Fernthaler so gar keine Lust hatte, seine Leute in irgendwelchen Hahnenkämpfen zu verschleißen, waren sich die beiden Präsidenten bald handelseinig: Sitz der Soko sollte die Kripoinspektion Kempten sein, die Leitung würde der Weilheimer Rainer Scheithardt übernehmen, wie Hansen im Rang eines Ersten Kriminalhauptkommissars und ein erfahrener Ermittler, den so schnell nichts aus der Ruhe brachte. Der Erkennungsdienst Weilheim würde federführend für die Kriminaltechnik sein, und um die Öffentlichkeitsarbeit würde sich die Pressestelle im Kemptener Präsidium kümmern.
Da Dr. Resi Meyer als Rechtsmedizinerin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München angestellt war und sie sich die Leiche bereits vor Ort angesehen hatte, sollten die Münchner, die für Prem ohnehin zuständig waren, die Soko weiterhin unterstützen – von der in Kempten sitzenden Landgerichtsärztin wusste Stiller schon, dass sie mit ungewöhnlich vielen Fällen häuslicher Gewalt in ihrem Bereich gut beschäftigt und schon deshalb
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