Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
Sattel?«
Schairer sah ihn überrascht an.
»Ja, unter dem Sattel. Woher wissen Sie das?«
»Ich hab nur geraten. Und ich rate gleich noch einmal: Den Tipp hat Ihnen Ihr Kumpel Holger gegeben, richtig?«
»Richtig, aber …«
»Ach, egal. Der könnte Ihr Motorrad also ausgeliehen haben, und jeder andere, der das Versteck kannte, ebenfalls.«
»Das kannte sonst keiner. Nur Holger und ich.«
»Klar, träumen Sie weiter. Wir wissen schon jetzt von drei Motorrädern, deren Besitzer den Schlüssel unter dem Sattel verstecken. Das scheint in Ihrer Gegend richtig Mode zu sein.«
»Oh.« Schairer dachte nach.
»Sie erinnern sich, wir suchen Beteiligte an einem Mord. Und im Moment sieht es so aus, dass derjenige, der Ihr Motorrad am Donnerstag vergangener Woche fuhr, damit das Mordopfer transportiert hat.«
Schairer schluckte.
»Und das können ebenso gut Sie gewesen sein«, fügte Hansen hinzu. »Also, wie ging das weiter, als Sie abends heimkamen?«
»Ich war müde, bin rein, hab noch was getrunken und bin dann eingeschlafen.«
»Das kann Ihre Frau bestätigen?«
»Weiß ich nicht. Als ich heimgekommen bin, hat sie schon geschlafen, und ich glaube nicht, dass sie aufgewacht ist, als ich ins Bett gegangen bin.«
»Und was haben Sie den ganzen Donnerstag lang gemacht, während Sie zwischen Memmingen, Kempten und Kaufbeuren unterwegs waren?«
»Ist das hier die Klapse, oder was? Das hab ich Ihnen doch auch schon alles erzählt!«
»Bitte, Herr Schairer, erklären Sie’s mir. Ich hab das vorhin nicht begriffen.«
»Ich bin im Außendienst tätig, ich verticke Schrauben und so’n Zeug an Baumärkte. Das mach ich noch nicht lange, davor hab ich mich mit verschiedenen kleineren Jobs über Wasser gehalten, aber das reichte finanziell vorne und hinten nicht. Das mit den Schrauben läuft auch nicht besonders, aber einen anderen festen Job hab ich nicht gefunden. Ab vierzig wird das schwierig, wenn man kein Beamter ist, wissen Sie?«
Die Spitze ließ Hansen kommentarlos über sich ergehen.
»Meine Firma ist nicht gerade Marktführer, eher eine kleinere Klitsche, und in manchen Baumärkten bekomme ich keinen Fuß auf den Boden, weil die Konkurrenz zu fest im Sattel sitzt. Was weiß ich, vielleicht schmieren die den Einkäufer, keine Ahnung.«
»Vielleicht liegt’s an Ihnen? Vielleicht sind Sie kein besonders guter Vertreter, und die anderen sind besser.«
»Ja, klar, immer feste drauf, wenn einer schon am Boden liegt und mit vollem Einsatz versucht, doch noch irgendwie die Kurve zu kriegen.«
Hansen blätterte in seinen Notizen. »Hier steht, dass Sie am Donnerstag auf Ihrer Tour keinen einzigen Baumarkt betreten haben – oder zumindest mit keinem einzigen Baumarktmitarbeiter gesprochen haben, der bestätigen könnte, dass Sie tatsächlich dort waren.«
»Ja, das ist …«
»Für mich ist das Blödsinn, Herr Schairer. Sie wollen Vertreter sein, wollen Baumärkten Schrauben verkaufen – und dann bieten Sie sie den ganzen Tag über niemandem an?«
»Ja, ich …«
»Das glaube ich Ihnen nicht. Und als Alibi reicht das auf keinen Fall.«
»Aber Sie können mein Fahrtenbuch sehen. Da steht die ganze Strecke drin, mit Kilometerständen und Uhrzeiten und allem.«
»Klar, und so etwas kann sich natürlich auch niemand einfach mal so hinterher ausdenken, oder? Jetzt sagen Sie mir bitte, wo Sie am Donnerstag waren.«
Schairer starrte ihn wütend an und wollte gerade losschimpfen, da fügte Hansen hinzu: »Ich versteh das nicht. Aber vielleicht können Sie es mir ja erklären.«
Schairer entspannte sich ein wenig.
»Versuchen Sie’s, Herr Schairer.«
»Ich bin kein Vertreter, wissen Sie? Also, ich meine, ich arbeite tatsächlich im Außendienst, aber ich kann das nicht. Leuten was aufschwatzen, wie ein Hausierer mit dem Katalog und dem Bestellzettel von Baumarkt zu Baumarkt ziehen …« Er machte ein Gesicht, als widere ihn das förmlich an. »Als ich vor gut drei Monaten bei dieser Firma angefangen habe, fuhr der Außendienstchef die Tour mit mir gemeinsam. Er hat mich den Einkäufern vorgestellt, hat mir erklärt, wie ich meine Tagesfahrten am besten planen kann, und abends, wenn wir mal mehrere Tage in einem Rutsch unterwegs waren, hat er mir im Hotel von den gängigsten Tricks berichtet, hat mir Tipps für meine Gesprächseröffnung gegeben und hat versucht, mich auf die Philosophie der Firma einzuschwören. Er hat mir vorgeschwärmt, wie viel Geld die Außendienstler in anderen Regionen
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