Rosskur: Ein Allgäu-Krimi
Gasthof?«
»Eine halbe Stunde etwa, so gegen halb, dreiviertel sechs bin ich wieder raus.«
»Aha. Und wann haben Sie Ihr erstes … Aussichtsziel erreicht? Das war doch sicher erst nach Sonnenuntergang.«
»Nein«, berichtete er kichernd, »ganz in der Nähe vom Gasthof hat sich ein Ehepaar einen kleinen, runden Pool aufstellen lassen, drum herum mit dichten Büschen vor den Blicken der Nachbarn geschützt. Die beiden sind schon in den Fünfzigern und gehen früh schlafen, und zwischen sechs und sieben sind die vorher noch im Pool zugange. Ein kleiner Fußweg führt zu den Gärten, und dort kann man durchs Gebüsch schlüpfen – dort beginne ich meine Runde meistens. Sieht genau genommen ein bisschen eklig aus, aber was will man machen.«
Er erzählte das gerade so, als nähme er eine Aufgabe wahr, für die sich andere zu schade waren. Dann kam ihm eine Idee.
»Das ist es: Ich weiß doch die ganzen Details! Ich könnte Ihnen genau beschreiben, was ich wann wo gesehen habe – und Sie könnten die Leute fragen, ob das stimmt. Das ist doch dann ein klarer Beweis, dass ich die Wahrheit sage, oder etwa nicht?«
Hansen sah ihn verblüfft an.
»Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, oder?«
»Doch, natürlich. Ich habe ein Alibi, ich gebe Ihnen die Details, und Sie prüfen das nach – Sie sind doch als Kriminalbeamter sicherlich verpflichtet, solchen Dingen auf den Grund zu gehen, stimmt’s?«
»Haben Sie das auch aus dem Fernsehen?«
»Nein, ein solches Alibi gab’s noch in keinem der Krimis, die ich gesehen habe.«
»Das glaub ich Ihnen gerne.«
»Also dann erzähl ich Ihnen das mal. Haben Sie was zu schreiben dabei?«
Hansen sah zu Hanna Fischer hinüber, die inzwischen wieder aus ihrer Deckung gekommen war und jetzt mit einem Notizblock wedelte, hinter ihr feixte Haffmeyer.
»Das macht die Kollegin«, versetzte Hansen knapp, und Gablers erschrockenes Gesicht entschädigte ihn ein wenig für die blöde Situation, in die dieser Dummkopf ihn gebracht hatte. »Aber das macht sie in der Kripoinspektion in Kempten. Packen Sie bitte ein paar Sachen zusammen, Waschzeug, Schlafanzug, was Sie halt so über Nacht brauchen. Es wird wohl bis morgen dauern, Ihre Angaben nachzuprüfen.«
Gabler seufzte, stand auf und ging in Richtung Bad. Als er ein paar Minuten später mit einem Rucksack über der Schulter im Wohnzimmer stand, erhob sich auch Hansen.
»Wissen Sie«, sagte er, »irgendwie habe ich erwartet, dass Sie sich dagegen sträuben würden, dass wir Sie nach Kempten mitnehmen.«
»Wozu denn? Sie dürfen mich bei entsprechenden Verdachtsmomenten heute mitnehmen und bis Ende des darauffolgenden Tages bei sich behalten.«
»Stimmt. Haben Sie das auch aus dem Fernsehen?«
»Nein, hab ich gelesen, in einem dieser Regionalkrimis.«
»Na, immerhin. Also, los geht’s. Und Sie werden unsere heutige Strecke vielleicht schon kennen.«
»Wieso das?«
»Ihr Bordell liegt direkt neben unserer Inspektion.«
Um neunzehn Uhr traf sich die Soko Lechbrücke wieder, und dass diesmal eine recht ausgelassene Stimmung herrschte, hatte mit Hanna Fischers Bericht von Robert Gablers detailliertem Alibi zu tun. Halb im Spaß meldeten sich die meisten in der Runde für die Aufgabe, die Angaben zu überprüfen, und sogar Hartmut Koller machte ein paar Scherze, die ausnahmsweise keine Spitze gegen Fischer, Haffmeyer oder Hansen enthielten.
Zum ersten Mal seit seinem Dienstantritt in Kempten fühlte er sich unter all seinen Allgäuer Kollegen richtig wohl.
»Jetzt kriegts euch wieder ein, ihr Pappnasen«, rief Soko-Leiter Scheithardt die anderen lachend zur Ordnung. »Wir haben tatsächlich auch noch ein paar andere Jobs zu machen.«
»Wobei es schon gut für Gabler wäre, wenn er die Wahrheit gesagt hat«, warf Sepp Kleinauer ein. »Meine Leute haben sich die drei Motorräder von Schwarzacker, Gabler und Schairer angesehen. Wir haben nur an Schairers Maschine Blutspuren gefunden, die war ziemlich gründlich geputzt, aber eben nicht gründlich genug. Jetzt prüfen wir noch, ob das Blut auch wirklich von Ruff stammt. Und der Dreck in den Reifen der beiden anderen Fahrzeuge passt zu den Spuren auf dem Uferwanderweg wie die Faust aufs Auge. Schairers Motorrad steht wahrscheinlich irgendwie mit dem Mord in Verbindung – und mindestens eines der beiden anderen auch.«
»Gabler haben wir hier«, sagte Scheithardt. »Schairer wird gerade von einer Streife zu uns gebracht. Sollen wir auch Schwarzacker holen?«
Hansen schüttelte
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