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Rost

Titel: Rost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Meyer
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Pick-up
weggeklaut.«
    »Ich weiß ja nicht«, bemerkte Chester.
    »Aber was du weißt, ist, dass im letzten Jahr allein hier in der Gegend
zehn bis fünfzehn kleinere Fabriken dichtgemacht haben. Was du von deinem Haus
in Seven Springs aus zwar nicht riechen kannst, aber geschehen ist es trotzdem.
War vielleicht zu unsrer Zeit das große Blutbad, aber auf die Überlebenden wird
heute immer noch geschossen. Das wird böse Konsequenzen haben, ganz genau wie damals,
aber wenn du diesen Jungen jetzt über die Klinge springen lässt, dann bringt
das keinen weiter.«
    »Abgesehen von den ganzen Leuten im Sozialbau«, sagte Chester, »ist
hier immer noch ein guter Ort zum Leben.«
    »Ich brauch was zu trinken«, sagte Riley.
    Harris schob sein unberührtes Bierglas rüber.
    »Hör zu, Bud, wir wissen alle, letztes Jahr sah’s nach der richtigen
Entscheidung aus, dass du für Billy bloß eine Verwarnung rausgeholt hast.«
    »Aber jetzt«, schloss Frank an, »finden manche Leute, und ich sage
nicht, dass ich dazugehöre, aber manche Leute finden, Billy Poe hätte schon
damals eingesperrt gehört, dann wäre diese andere Sache nicht passiert.«
    »Es weiß doch keiner von uns, was da abgelaufen ist«, betonte Harris.
»Wirklich keiner.«
    »Wie man hört, sagt er kein Wort. Das mag ja für seine Gerissenheit
sprechen, für seine Unschuld allerdings noch lange nicht.«
    »Ich habe nichts damit zu tun.«
    Inzwischen hatte Riley Harris’ Bier schon halb getrunken. Von der
Bar aus wurden sie vom Fetten Stan und seiner Frau beobachtet, und Harris
überlegte, wie viel sie wohl hören konnten.
    »Es gibt Leute, die es gerne sähen, wenn du was damit zu tun hättest«,
bemerkte Chester. »Würde sie sauglücklich machen, wenn sie rausbekämen, dass du
immer noch in Sachen Billy Poe mitmischst.«
    »Das stimmt.«
    »Es gibt hier Leute, die den Jungen für ein schwarzes Schaf halten
und glauben, dass er frei herumläuft, ist nur deine Schuld.«
    Er rutschte auf dem Stuhl herum und merkte, dass er warme Ohren
hatte. Tja, dachte er, was hast du erwartet. Besser, wenn du’s weißt.
    »Halt einfach den Ball flach«, riet Chester, »mehr wollen wir gar
nicht sagen.«
    »Ja, genau«, sagte Riley und blickte Harris an. »Ich hab gehört,
dass manche dich zusammen mit Don Cunko kreuzigen wollen.« Er kippte den Rest
Bier hinunter. »Nimm es als Belohnung für ein Leben im Dienst der
Gemeinschaft.«
    »Und wer ist das, manche?«, fragte Harris. Und betonte: »Übrigens,
das müsst ihr nicht beantworten, Jungs.«
    »Es sind viele, Bud.«
    »So viele auch nicht.« Riley zog eine Grimasse. »Howard Peele von Peele Bedarf , Tony DiPietro. Joey Roskins sitzt genauso mit
im Boot. Im Grunde unsere ganze Handelskammer, wie sie kokst und hurt.«
    Chester warf Riley einen Blick zu.
    »Diese Leute kotzen mich an«, sagte Riley.
    »Sind ja nicht nur die.«
    »Hey, Buddy«, sagte Riley, und er beugte sich zu Harris rüber. »Ich
weiß sicher, dass sich Howie Peele einmal pro Woche von so einem Kerl aus
Clairton Nasenpuder liefern lässt. Das hast du in der Hinterhand, falls du in
die Bredouille kommst.«
    Inzwischen war Chesters Gesicht versteinert, und Bud Harris fühlte
sich zunehmend unbehaglich. Letztes Jahr hatte er Howie Peele mit Trunkenheit
am Steuer gehen lassen, seine Frau hatte ihn abgeholt. War wohl die falsche
Botschaft, dachte er. Schon damals war’s ihm wie ein Fehler vorgekommen, ohne
dass der Grund ihm klar gewesen wäre. Nein, dachte er, falscher Denkansatz. Er
überlegte, ob er noch mal mit Patacki reden sollte. Erst mal musste er an einen
Ort, wo er in Ruhe überlegen konnte.
    Riley riss ihn aus seinen Gedanken: »Du brauchst gar nicht so zu
gucken, Chester. Ich hab keine Angst vor diesem Arschloch, und mir ist es
scheißegal, wem du’s erzählst.«
    »Beruhigt euch«, sagte Harris.
    »Mord ist eine ernste Sache«, sagte Frank gelassen. »Das stellt
keiner hier in Frage.«
    »Kommt drauf an«, bemerkte Riley, gleich wieder beim Thema.
    »Manche fürchten, neues Blutvergießen lässt sich nicht vermeiden.«
    »Tjaja«, sagte Harris. »Und kann sein, sie haben recht.«

5 . Isaac
    Vor ihm lag ein Walmart , viele
Lichter, viele Schilder. Er kam furchtbar langsam voran; und allein das
Überqueren dieses Parkplatzes schien endlos. Dann blieb er erst mal in dem
heißen Luftstrom des Eingangsbereichs, bis ihn der Türsteher hereinwinkte. Typ
Heilsarmee – ein Blick von Kopf bis Fuß. Der ruft wahrscheinlich gleich

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