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Rost

Titel: Rost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Meyer
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Wahrscheinlich
kommst du anders schneller hin.«
    »Ich hab kein Geld.«
    »Das sollte bloß ’n Witz sein«, sagte der Mann. »Das Benzin bezahlt
die Firma, und ich fahre sowieso da runter.«
    Drinnen war der Truck groß, dunkel und gemütlich. Wie im Wizard von Oz , dachte er, das sieht nach einem Riesenviech
aus, aber drinnen thront ganz oben dieser kleine Mann. Sie fuhren hoch über der
Straße, schnell, mit Tempo hundertdreißig.
    Es dauerte eine Weile, bis er seine Augen scharfstellen konnte.Wenn er auf die vorbeirauschenden Dinge blicken wollte, wurde ihm noch
schwindliger. Und das hat alles irgendwer gemacht, dachte er. Dann schaute er
sich den Fahrer an, der hinterm Steuer hockte und Radio hörte. Ab und zu kamen
Geräusche aus dem Funkgerät. Geist kann sich auf alles einstellen – auch
Stimmen aus einer Metallbox. Zwei verschiedenen Metallboxen. Und währenddessen
überblickst du die Straße, der Körper weiß, er fährt zu schnell. Und passt sich
an. Isaac sah die Dinge auftauchen und wieder schwinden, Trucks, Verkehrsschilder,
Häuser und Straßen, Überführungen. Alles gemacht. Sogar die Luft, mit
Radiowellen, Satelliten. Fühlt sich an, als müsste es etwas bedeuten. Tut es
aber nicht – wir machen das halt so. Was hat es uns denn eingebracht, der
Unterschied zum Tier. Bessere Waffen und Antibiotika – die kommen im Paket.
Intelligente Bomben und Krebsoperationen. Du kriegst das eine nicht ohne das
andere, selbst unsere eigene Natur hält sich im Gleichgewicht. Kolonisiert den
Mars, das ändert auch nichts – Babys und untreue Herzen. Hämorrhoiden und
Demokratie. Und Prediger mit Syphilis. Ein Kleiner, der in seinem Mondanzug
wichst und dabei an seine ältere Schwester denkt. Er musste kichern. Hey, der
Kleine ist heiß, dachte er.
    »Erzähl, was gibt’s«, sagte der Fahrer.
    »Bin schon eine Zeit alleine«, sagte Isaac. »Und außerdem das erste
Mal in einem Truck.«
    »Schwänzt du die Schule oder was? Oder das College – kann dich
altersmäßig gar nicht einschätzen, nimm’s mir nicht übel.«
    »Weder noch. Ich sollte wohl auf einem College sein.«
    »Du siehst speziell aus. Erst hab ich gedacht, du wärst so einer von
den Jesus-Fans, die auf dem Rastplatz rumlaufen und alle Leute bekehren wollen,
dann hab ich genauer hingeguckt und mir gedacht, du könntest schon so einer
sein, bloß durchgeknallt. Und dann war ich nicht sicher. Deshalb hab ich
angehalten, denk ich.«
    »Das Geheimnis des Tages.«
    »So ziemlich.«
    »Ich weiß es zu schätzen.«
    »Weiß man’s«, sagte der Mann. »Hättest Jesus höchstpersönlich sein
können, dann wär ich hoch belohnt worden.«
    »Könnte ja immer noch sein.«
    »Jetzt klingst du so richtig wie ein irrer Tramper.«
    »Treffer«, sagte Isaac.
    Der Fahrer gluckste. »Nehm dich doch bloß auf den Arm. Macht’s dir
was aus, wenn ich das Radio laufen habe? Hab gerade gehört, dass diese Spinner
in Korea jetzt eine Rakete gebaut haben, die groß genug für Atombomben ist.«
    »Nordkorea, meinen Sie?«
    »Ich merk schon, ist nicht ganz so deine Baustelle.«
    »Ein bisschen doch.«
    »Wenn du mich fragst, ich finde, dass wir denen jetzt eins überbraten
sollten und sie plattmachen. Sonst haben wir als nächstes ’ne Atombombe, die
auf Toledo fällt.«
    »Wahrscheinlich denken die dasselbe auch von uns.«
    »Aha«, sagte der Fahrer und war einen Augenblick lang still. »Gib
dir mal zwanzig Jahre, du wirst sehen, dass du dann die Dinge etwas mehr zu
schätzen weißt, verstehst du mich? Ich glaub, da will ich drauf hinaus.« Er
schaute Isaac an. »Du verstehst mich nicht.«
    »Doch, tu ich.«
    »Warte zwanzig Jahre, und dann weißt du, was ich meine. Klar, du
bist noch jung, es gibt bestimmt ’ne Menge, die ich gar nicht mitbekomme. In
den Sechzigern war ich nicht alt genug, und jetzt verpasse ich all das. So
zieht es manchmal an einem vorbei.«
    »Ich glaub, so viel verpassen Sie nicht«, sagte Isaac.
    »Ich seh die Sendungen doch alle, komm, ich weiß Bescheid. Tut mir
nur leid für euch, dass ihr die ganzen Frauen, für die ihr schwärmt, alle schon
mal nackt gesehen habt. Egal wen, Britney Spears und Paris Hilton und der Rest,
es gibt von jeder irgendwodie Fickfotos. Für mich war Bambi Woods die große
Sache. Mehr konnte man nicht erhoffen. Aber das war höchstwahrscheinlich
besser.«
    »Kann schon sein.«
    »Na, wir sind schnell beim heftigeren Zeugs gelandet, was.« Der
Fahrer zwinkerte ihm wieder zu. »Bleibst du mal kurz dran? Du musst dir den

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